25 Stunden mit dem Kutter auf Krabbenfang: Natur und Wirtschaft im Nationalpark

Matrose Sven Eden, ich und Fischer Gerold Conradi.

Ein außergewöhnlicher Termin: Auf Einladung des Greetsieler Krabbenfischers Gerold Conradi konnte ich jüngst gemeinsam mit dem lokalen Bundestagskandidaten Garrelt Agena zwei Nächte mit auf Krabbenfang gehen. Gerold hatte uns auf seinen Kutter GRE 24 „Friedrich Conradi“eingeladen. Dies ermöglichte mir doch einige tiefere Einblicke in den Berufsalltag der Fischer, in ihre Anstrengungen, alle Qualitätsanforderungen des Handels ebenso zu erfüllen wie die Vorgaben der EU-Fischereipolitik und des MSC-Siegels.

Um Mitternacht ging’s los, um mit ausreichend Wasser unter dem Kiel aus der Schleuse Leysiel heraus und über das Watt in die Westerems zu kommen, um dort die Netze auszuwerfen. Nachts auf dem Wasser ist man umso mehr auf die langjährige Erfahrung des Kapitäns sowie die modernen Instrumente in der Kajüte des Kutters angewiesen, denn man sieht außer vielen verwirrenden Lichtern sonst nicht viel. Diese Lichter sind Seezeichen, Leuchttürme, aber auch ein permanent orange blinkendes „Guard-Schiff“, das die Fischer davor warnen soll, an einer Stelle zu fischen, wo bereits vor Wochen ein Offshore-Stromkabel aus dem Wattboden freigespült und noch immer nicht wieder vernünftig befestigt worden ist, oder das allgegenwärtige, in grünes Licht getauchte Kohlekraftwerk Eemshaven – ein trauriges Mahnmal für die Notwendigkeit der Energiewende.

In der Nähe des Emsfahrwassers angekommen, machten Gerold und Matrose Sven Eden erstmals die Fanggeschirre fertig und ließen die beiden Krabbennetze mit ihren Vornetzen zu Wasser. Die nächsten 20 Stunden gehörten nun dem Krabbenfang und den entsprechenden Gesprächen, z.B. über

Garrelt Agena – von Haus aus Biolandwirt – fachsimpelt mit Matrose Sven Eden.

verloren gegangene Fanggründe durch die Verklappung von Baggergut für die aktuelle Emsvertiefung, die die Niederländer durchführen, damit ihr Hafen in Eemshaven für die nächstgrößere Variante der Kohleschiffe (sogenannte PanMax-Klasse) besser erreichbar ist. Absurd, hier einen solchen weiteren Eingriff in die Natur des Wattenmeeres durchzuführen, wenn man gleichzeitig weiß, dass das niederländische Parlament vor knapp einem Jahr einen De Facto-Kohleausstieg einen De Facto-Kohleausstieg bis 2030 beschlossen hat.

Garrelt und ich lernten dann, dass zum Spritsparen immer mit der Strömung gefischt wird, Also fuhren wir mit ablaufendem Wasser die Außenems heraus bis hinter Borkum. Alle 1,5 bis 2 Stunden werden die Netze eingeholt und der Fang in den großen Auffangbottich entleert. Mit Sven Eden hat Gerold Conradi einen erfahrenen Fischer an Bord, der sich um die Verarbeitung des Fangs kümmert. Währenddessen befinden sich die Netze bereits wieder im Wasser. Die Arbeit auf einem Fischkutter ist heutzutage dank moderner Technik lange nicht mehr körperlich so schwer wie früher. Der Fang wird zunächst in einer großen Siebtrommel grob nach Größe sortiert. Der größte Teil des ohnehin schon dank besonderer Netzkonstruktionen stark reduzierten Beifangs wandert überwiegend ungeschädigt direkt wieder ins Meer. Alles was annähernd die Größe von Krabben hat, wird in einer großen Kochtrommel schonend gekocht. Anschließend erfolgt eine zweite Feinsiebung. Zum Schluß werden auf einem Verlesetisch per Hand noch einzelne Restbestandteile an kleinen Fischen und Krebsen oder Bodenbestandteilen aus dem Fang herausgenommen. Wer Glück hat, findet gelegentlich kleine Bernsteinstücke bei dieser Gelegenheit. Der Fang wandert von dieser Station über ein Fallrohr in die Kühlkammer des Schiffes und wird dort in die Kisten der Erzeugergemeinschaft oder des Händlers gefüllt.

Mit der Morgenflut änderten wir dann die Fangrichtung und fuhren wieder in Richtung Emsmündung. Garrelt und ich durften bei der Krabbenverarbeitung an Bord von Sven lernen und versuchten, uns so weit es ging nützlich zu machen. Daneben gab es viel Zeit, über das Leben und Arbeiten der Krabbenfischer zu lernen. Lange Arbeitsschichten – je nach vom Kapitän gewählten Fanggebiet bis weit in die Deutsche Bucht hinaus – von bis zu 5 Tagen, der ständige Kampf mit den Naturgewalten (die See gibt, aber sie nimmt auch), stark schwankende Fänge und Preise – all das macht den Beruf immer aufs Neue herausfordernd. Dazu kommen Fangquoten und immer mal wieder neue Auflagen der Fischereikontrollbehörden, die Notwendigkeit immer neuer Investitionen in Schiff, Verarbeitungstechnik und Netze, um in der Konkurrenz mit den PS-starken Fangflotten anderer Länder, insbesondere der Niederländer, mithalten zu können und die (Sprit-)Kosten im Rahmen zu halten, aber eben auch die Freiheit des Meeres.

Im Jahr 2011 geriet der Markt für Krabben aufgrund eines Überangebotes in ein absolutes Preistief, in dessen Folge die Fischer an der gesamten Nordseeküste gegenüber dem mächtigen Handel keine kostendeckenden Preise mehr erwirtschaften konnten. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als vorübergehend ihre Fangaktivitäten einzustellen und wochenlang im Hafen zu bleiben. Dieses führte immerhin zu einer veränderten Verhandlungsbasis und Neuorganisation der Fischer in einer Erzeugergemeinschaft gegenüber dem mächtigen Handel – und dann auch zu einer Erholung der Preise. Seitdem verzeichneten die Fischer „normale“ Fangergebnisse und auskömmliche Preise. Das Jahr 2016 und auch das aktuelle Jahr sind von sehr niedrigen Fangergebnissen geprägt. Dadurch sind die Krabbenpreise enorm gestiegen. Den Rückgang der Fangmengen führt Gerold hauptsächlich auf die starke Ausdehnung von Freßfeinden, wie insbesondere dem Wittling, zurück.

Die deutschen Krabbenfischer streben das MSC-Siegel für ihr Produkt an. MSC ist die Abkürzung für Marine Stewardship Council. Dieses Siegel steht für eine nachhaltige Fischerei und verlangt von den Fischern die Einhaltung bestimmter Regeln zur Bestandserhaltung und zum Schutz des Ökosystems Wattenmeer. Ein besonderes Augenmerk gilt der Verminderung des Beifangs. Deshalb wurde z.B. die Lochgröße der Fangnetze vergrößert und mit Vornetzen gearbeitet, um den Beifang so weit es geht reduzieren. Von Umweltverbänden gibt es zwar auch Kritik an den Kriterien von MSC. Dennoch ist es zu begrüßen, dass sich die Krabbenfischer der Zertifizierung stellen. Die Fischer müssen ihre Tätigkeit genau dokumentieren. Gleichzeitig wird es auch in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung der Auswirkung der veränderten Fangmethoden auf Flora und Fauna im Wattemeer geben.

Sorge bereitet den Fischern im Mündungsgebiet der Ems die Verklappung von Baggermaterial der niederländischen Baggerarbeiten zur Vertiefung des Emsfahrwassers von der Nordsee bis nach Eemshaven. Zum Teil werden dadurch Fanggebiete der Krabbenfischer vernichtet. Auch von uns GRÜNEN und den Naturschutzverbänden werden diese Verklappungen aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht im Nationalpark deutlich kritisiert.

Ein riesiger Kohlefrachter mit Kurs auf das Kohlekraftwerk in Delfzijl rauschte an uns vorbei.

Wir konnten das Einlaufen eines großen Kohlefrachters in den Hafen von Eemshaven beobachten. Er hatte nicht mehr den vollen Tiefgang, so dass wir vermuten, dass er vorher noch einen anderen Hafen angelaufen hatte. Steinkohle wird unter unmenschlichen Bedingungen und mit großen Schäden für Wasser und Böden z.B. in Kolumbien gefördert.

25 Stunden auf See haben uns einen guten Eindruck gewinnen lassen von der anstrengenden Arbeit der Krabbenfischer und ihrem Bemühen, den Ausgleich zwischen ökologischen und wirtschaftlichen Erfordernissen zu bewerkstelligen.

Herzlichen Dank an dieser Stelle an Gerold Conradi und auch an Sven Eden vom Kutter GRE 24.

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