Frust auf dem Lande

Mit dem niedersächsischen Landwirtschaftsminister Christian Meyer auf der 12. Kammerversammlung der Landwirtschaftskammer

Mit dem niedersächsischen Landwirtschaftsminister Christian Meyer auf der 12. Kammerversammlung der Landwirtschaftskammer

In dieser Wahlkreiswoche hatte ich gleich zwei Landwirtschafts- tage hintereinander. Zunächst eine kurzfristig anberaumte Veranstaltung der Katholischen Landjugend (KLJB) in Niederlangen im Emsland, am nächste Tag die große Kammerversammlung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Oldenburg.

Die katholischen Junglandwirte im Emsland hatten ihren Ärger über die Mitträgerschaft MISEREORs bei der großen Landwirtschaftsdemo „Wir haben es satt“ Anfang Januar in Berlin zum Anlass für eine Podiumsdiskussion mit Dr. Bornhorst von MISEREOR, Generalvikar Theo Paul und Dr. Felix zu Löwenstein, Landwirt und Vorsitzender des Bundes ökologischer Lebensmittelwirtschaft, genommen. Mit ihnen diskutierten unter qualifizierter Moderation des Leiters der KLVHS Oesede, Johannes Buss, die engagierten Junglandwirte Sebastian Bartelts, Bernhard Barkmann und Matthias Teepker. Es ging vor rund 150 Landwirten und BürgerInnen emotional zur Sache, das Niveau der Diskussion war aber nichtsdestotrotz erfreulich hoch.

Am Ende ging es immer wieder um die Frage „Kritik an den Bauern oder Kritik am System“? Auch wenn einige Beteiligte sich schwer damit taten, die Fragen nach den Folgen industrialisierter Agrarproduktion in unserer Region für unsere Umwelt und die Lebensbedingungen von Kleinbauern in Afrika und Südamerika direkt mit ihrem Wirken zusammen zu bringen, Einigkeit herrschte doch weitestgehend in der Einschätzung, dass gute Produkte auch endlich einen guten Preis finden müssten, damit nicht nur die Massenproduktion den Landwirten ein ökonomisches Überleben auf ihren Höfen ermöglichen könnte. Dass die Globalisierung dabei eine wichtige Rolle spielt, wurde im Laufe der Diskussion ebenso deutlich wie die Erkenntnis, dass auch die konventionelle Landwirtschaftspolitik des Bauernverbandes seit Jahrzehnten keine Antwort auf den Strukturwandel und das Höfesterben hat.

Die Stimmung auf der Kammerversammlung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen war wegen des plötzlichen Todes des Präsidenten Arendt Meyer zu Wehdel natürlich gedrückt. Christian Meyer hob in seiner Rede vor den Landwirten darauf ab, dass dieser Präsident, ein Landwirt alten Schlages, wie er ihn bezeichnete, gerade heraus war und im gemeinsamen Gespräch stets versucht hatte, die aktuellen Herausforderungen gemeinsam zu meistern.

Das ist auch mein Ansatz, gemeinsam mit Umweltverbänden, VerbraucherschützerInnen und Landwirten Agrarpolitik zu gestalten. Niedersachsen hat sich seit dem Amtsantritt Christians vor zwei Jahren verändert.

Wir GRÜNEN sind nicht mehr Ansprechpartner dafür, ob natürliche Ressourcen bewahrt und das Tierwohl geachtet werden sollte, sondern wir sind schon bei der direkten Umsetzung angekommen. Das ist sooo schlecht nicht. Denn durch die veränderten Rahmenbedingungen stellt sich jetzt auch die konventionelle Landwirtschaft der gesellschaftlichen Debatte über die Art und Weise, wie sie Lebensmittel vielerorts eher industriell produziert. Sie verschließt sich nicht den Akzeptanzproblemen, vor denen sie zunehmend steht. Die gesellschaftliche Dauerkritik hat da schon einiges in den Köpfen verändert. Und auch in der Praxis gibt es natürlich schwierige Aufgaben zu bewältigen – Nitrat im Grundwasser, Antibiotika in der Tierhaltung (und auch schon im Grundwasser), MRSA, Schnäbelkürzen, Ringelschwänze,…

Leider führt diese emotional geführte Debatte auch zu solchen Auswüchsen, dass Kinder von Landwirten in der Schule als Tiermörder diffamiert werden. Dabei sollten wir, die Kritiker dieser industriell orientierten Landwirtschaft und die Landwirte selber, ein gemeinsames Ziel verfolgen: Bäuerliche Strukturen erhalten und sorgsam mit den Böden, dem Wasser, den Tieren umgehen, die Landwirtschaft ausmachen. Eigentlich sollte das so sein, aber die vergangenen Jahrzehnte mit massivem Höfesterben, zunehmenden Futtermittelimporten und sich wieder verschlechternden Nitratwerten im Grundwasser – dafür aber weltweit den geringsten Lebensmittelkosten im Verhältnis zum Einkommen – strafen meine Worte Lügen.

Also müssen wir reden, uns auseinandersetzen, wie dies bei den beiden Veranstaltungen ja auch geschehen ist. Veränderungen müssen sein – auch bei den sensiblen Themen Grünlandumbruch, Moor oder LROP. Wir müssen uns die Mühe machen, regional und unter Einbeziehung möglichst aller Beteiligter die besten Lösungen und Kompromisse zu finden – für die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft genauso wie für Klima, Umwelt und Nutztiere.

Freiwilligkeit der Landwirte ist dabei natürlich wünschenswert, z.B. beim längst überfälligen Aufbau eines echten Nährstoffmanagements. Doch die Fakten müssen auf den Tisch: Wie viele Tiere stehen im Stall? Wie sieht die Hoftorbilanz beim Stickstoff aus? Freiwilligkeit geht vor Ordnungsrecht, doch am Ende müssen die Ergebnisse stimmen, z.B. die Nitratwerte im Wasser. Wir wären schön blöd, wenn wir zuließen, dass die EU drastische Vertragsverletzungsstrafen gegen unser Land und damit gegen die SteuerzahlerInnen verhängt!

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4 Kommentare zu “Frust auf dem Lande
  1. Sehr geehrter Herr Meiwald,
    herzlichen Dank für Ihre Teilnahme an der Veranstaltung in Niederlangen-Siedlung und für Ihre positive Einschätzung der Gesprächskultur an dem Abend, die ich teile. Eine Bitte bzw. Frage: Sie haben an dem Abend eine Karte über die Nitratbelastungen in unseren Böden erwähnt. Viele Teilnehmende hätten gerne diese Informationen. Könnten Sie mir diese zukommen lassen oder mir einen link senden, wo ich diese finde?
    Viele Grüße aus der Katholischen LandvolkHochschule Oesede
    Johannes Buß

  2. Johannes Pott sagt:

    „Auch wenn einige Beteiligte sich schwer damit taten, die Fragen nach den Folgen industrialisierter Agrarproduktion in unserer Region für unsere Umwelt und die Lebensbedingungen von Kleinbauern in Afrika und Südamerika direkt mit ihrem Wirken zusammen zu bringen.“

    Das sollte man differenzierter sehen. Sicherlich gibt es einige, die die Folgen ihres Handelns nicht reflektieren. Viele Landwirte tun dies aber sehr wohl. Sie kommen nur nicht zu dem selben Ergebnis wie Sie.

    Warum Sie andere Schlüsse ziehen als die meisten der in Oberlangen anwesenden Landwirte, kann die Sozialpsychologie schlüssig erklären (Stichwort Kognitive Dissonanz). Das gilt im Übrigen für alle Beteiligten. Ein jeder, der an solchen Diskussionen teilnimmt, sollte sich und seine Standpunkte hin und wieder einmal überprüfen. Ob er nicht doch falsch liegt und sich dieses nur nicht eingestehen möchte. Das gilt für Sie, für mich, eben für alle. Auch für Misereor.

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