Verwirrung um Grenzwerte: Mehr Sachlichkeit in der Debatte nötig

In der Debatte um die Belastung der Luft mit Stickoxiden wird zunehmend mit Halbwahrheiten gearbeitet. So ist Stickstoffdioxid ein Reizgas, das zu Entzündungen der Atemwege führt. Dies kann von Atemnot, Husten, Bronchitis, über Lungenödeme, steigende Anfälligkeit für Atemwegsinfekte bis hin zu einer Minderung der Lungenfunktion führen. Dies haben sich nicht DIE GRÜNEN ausgedacht, sondern ist wissenschaftlich gut untersucht, mit Beobachtungsstudien in der ganzen Welt und in experimentellen Studien. Namhafte Institute und Organisationen, wie etwa das Helmholtz Zentrum München für Gesundheit und Umwelt oder die Weltgesundheitsorganisation, weisen darauf hin, dass Stickoxide als Gesundheitsrisiko sehr ernst zu nehmen sind.

Wer behauptet, Menschen dürften in Büros viel höheren Belastungen mit Stickoxid ausgesetzt werden, scheint etwas den Überblick verloren zu haben oder läuft einfach Frau Weidel von der AfD und Herrn Lindner von der FDP hinterher. Richtig ist, dass es unterschiedliche Werte für die Belastung mit Stickstoffdioxid gibt und zwar für die Straße, für Industriearbeitsplätze sowie für Büroarbeitsplätze und Wohnungen. Für die ersten beiden bestehen rechtlich verbindliche Grenzwerte für letztere nur Richtwerte, die nicht verbindlich sind.

Weiterhin ist richtig, dass der Grenzwert für Industriearbeitsplätze in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe 900 (TRGS 900) bei 950 Mikrogramm pro Quadratmeter Luft sehr hoch liegt. Dieser Grenzwert gilt etwa als Mittelwert einer Schicht in Stahlwerken oder Tunnelbaustellen, bei denen tätigkeitsbedingt diese Stickoxide in höheren Konzentrationen entstehen. Dort dürfen gesunde erwachsene Menschen, die mit Gefahrstoffen arbeiten, für einige Stunden pro Tag höheren Werten ausgesetzt sein und sind aufgrund der hohen zulässigen Belastung arbeitsmedizinisch überwacht. An den restlichen Stunden des Tages erholen sie sich dann von dieser Belastung.

Daher liegt der Grenzwert für den öffentlichen Raum und den Straßenverkehr bei deutlich niedrigeren 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Grund hierfür ist, dass auf der Straße alle betroffen sind, auch Babys, kranke und alte Menschen. Auch gesunde Menschen müssen sich nach der Arbeit von den belastenden Gasen wieder erholen. Daher muss die Luft in den Städten sauber sein. Dies gilt nicht nur für Stickoxide sondern auch für Feinstaub. Verschiedene Luftschadstoffe gegeneinander auszuspielen ist ebenso wenig im Sinn der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, die ein Recht auf saubere Luft und eine unversehrte Gesundheit haben.

Um es deutlich zu sagen: Für Arbeitsplätze in Büros oder Wohnungen haben die hohen Grenzwerte der TRGS 900 keine Gültigkeit. Hier gelten grundsätzlich die gleichen Werte wie bei der Außenluft, ein darüber hinaus vom „Ausschuss für Innenraumrichtwerte“ festgelegter, heute eigentlich veralteter Richtwert für die Belastung der Innenraumluft liegt bei 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Problematisch ist allerdings – und das gilt nur für Stickoxide und Feinstäube, sondern auch für Dioxine, Furane und andere Giftstoffe, dass die Bundesregierung bisher den Erlass einer sogenannten Technischen Anleitung Innenraumluft verweigert hat. Hier gibt es politischen Nachholbedraf, den wir als Grüne auch deutlich einfordern.

Wer aber den Grenzwert in unseren Städten verniedlicht, relativiert oder lockern will, spielt mit dem Leben unserer Kinder. Es ist einfach nur zynisch, den Grenzwert für besonders belastete Industriearbeitsplätze von Erwachsenen mit denen für Kleinkinder und Babys zu vergleichen, die auch einen höheren Stoffwechselumsatz haben. Außerdem werden Äpfel mit Birnen verglichen und man ignoriert unterschiedliche Bestimmungen für den Verkehr, Industrie- und Büroarbeitsplätze sowie private Wohnungen. Gesunde Atemluft in unserer Lebenswelt, unseren Städten und Innenräumen ist unsere Lebensgrundlage.

Hintergrund:

https://www.helmholtz-muenchen.de/epi2/the-institute/press-releases/press-release/article/40813/index.html

https://www.umweltbundesamt.de/themen/unterschied-zwischen-aussenluft

 

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Ein Kommentar zu “Verwirrung um Grenzwerte: Mehr Sachlichkeit in der Debatte nötig
  1. Thomas Schulz sagt:

    Lieber Herr Meiwald,

    vielen Dank für die Info. Leider muss auch ich immer wieder feststellen, dass es sich beim Kampf gegen zu hohe Stickoxide oftmals um einen Kampf gegen Windmühlenflügeln handelt und die Gesundheit gerade von Kleinkindern anscheinend überhaupt nicht zählt. Darin tut sich m. E. die NWZ besonders hervor. Trotzdem: Bitte weiter so!!!

    Viele Grüße

    Thomas Schulz

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