Kinder fördern, nicht die Ehe

Konzentration auf das Kind

Konzentration auf das Kind

In unserem reichen Land leben viele Kinder in Armut – nach einer Unicef-Studie betrifft das 2,5 Millionen Kinder. Gleichzeitig gilt nach wie vor: Kinder sind in Deutschland ein Armutsrisiko. Das hat viele Ursachen.

Ein Grund ist, dass in den vergangenen Jahren der prekäre Einkommensbereich knapp oberhalb der Armutsschwelle erheblich angewachsen ist. Die Löhne im unteren Bereich sind in den letzten Jahren faktisch gesunken, so dass auch bei berufstätigen Eltern das Vorhandensein von mehreren Kindern schnell dazu führt, dass die Familie Sozialleistungen nach dem SGB II (Hartz IV) beantragen muss. Das gilt übrigens auch noch bei einem allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro/Stunde, weswegen wir diesen Betrag nur als Einstieg in den gesetzlichen Mindestlohn verstehen.

Ein weiterer Grund ist, dass viele familienbezogene staatliche Förderungen am falschen Ende anknüpfen und für eine ungerechte Verteilung sorgen. So entlasten die Freibeträge für Kinder hohe Einkommen mehr als niedrige, und das Ehegattensplitting subventioniert die Ehe an sich, ohne Rücksicht auf das Vorhandensein von Kindern. 25 Prozent der Kinder wachsen in Alleinerziehenden-Hausalten oder bei nicht verheirateten Paaren auf – ihnen nützt das Ehegattensplitting gar nicht.

Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der kein Kind in Armut lebt, in der jedes Kind gleich viel wert ist. Jedes Kind, unabhängig vom Einkommen seiner Familie, soll die gleiche finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten. Wir wollen in der nächsten Legislaturperiode den Einstieg in eine Kindergrundsicherung schaffen. In einem ersten Schritt werden wir unter anderem die Regelsätze für Kinder anheben, damit sie die tatsächlichen Bedarfe der Kinder abdecken. Wir wollen dafür auch Mittel nutzen, die durch die Veränderung des Ehegattensplittings frei werden.

Das Ehegatten-Splitting fördert den Trauschein, nicht die Kinder. 40 % der Begünstigten sind kinderlose Ehen. Wir wollen die Familienförderung umbauen, hin zu den Kindern. Das Ehegatten-Splitting wird deshalb sozial verträglich und schrittweise umgebaut. Das Existenzminimum des Partners bleibt auch weiterhin steuerfrei übertragbar. Jeder Cent zusätzlicher Einnahmen aus dem Abschmelzen des Ehegatten-Splittings fließt in bessere Kinderbetreuung und den Aufbau einer Kindergrundsicherung. Mit dem Einstieg in die Kindergrundsicherung erhält eine Normalverdiener-Familie mit 45.000 Jahreseinkommen und zwei Kindern 528 Euro pro Jahr mehr als heute. Die Kindergrundsicherung trägt dazu bei, eine übermäßige Belastung kinderreicher Familien durch das Abschmelzen des Splittings zu vermeiden.

Weil wir wissen, dass viele Haushalte auf das Splitting angewiesen sind, werden von dieser Reform nur Ehen berührt, in denen das Haupteinkommen sehr hoch und zwischen den Partnern sehr ungleich verteilt ist. Das beginnt für Alleinverdiener-Ehen ohne Kinder bei 63.000 Euro brutto pro Jahr. Bei einem Bruttojahreseinkommen von 80.000 Euro würde ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern 10 Euro pro Monat mehr zahlen – eine Belastung, die sich aus unserer Sicht in vertretbaren Grenzen hält.

Damit wir nicht missverstanden werden: Wir wollen keine bestimmte Lebensform bestrafen. Das Ehegatten-Splitting fördert aber einseitig ein bestimmtes Familienmodell. Subventionen – auch Steuersubventionen – halten wir für gerechtfertigt, wenn daraus ein positiver Nutzen für die Allgemeinheit resultiert. Die Förderung der Alleinverdiener-Ehe durch das Ehegatten-Splitting setzt negative Erwerbsanreize für Ehefrauen mit den Folgeproblemen bei der eigenständigen sozialen Sicherung im Falle einer Trennung und Minirenten im Alter. Zu der von vielen jungen Frauen und Männern gewünschten besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehört daher aus unserer Sicht zwingend das Abschmelzen des Ehegatten-Splittings.

Das Grundgesetz lässt dem Gesetzgeber in Art. 6 GG die Wahl, auf welche Weise er den Bedarf von Familienangehörigen berücksichtigen will. Entweder stellt er das Existenzminimum von der Besteuerung frei oder er zahlt einen entsprechenden Geldbetrag. Bislang hat man sich systematisch für den steuerlichen Freibetrag entschieden. Das Kindergeld in der heutigen Form dient lediglich dazu, das soziale Ungleichgewicht durch die Freibeträge abzumildern. Was auf der anderen Seite auch immer wieder dazu führt, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums durch den Anspruch auf Kindergeld bewirkt wird und deswegen beim Einkommenssteuerjahresausgleich bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens keine Freibeträge für Kinder berücksichtigt werden. Wie soll da die Förderung bei den Kindern ankommen?

Die Kindergrundsicherung ist keine zusätzliche Transferleistung, sondern ersetzt mittelfristig vorhandene Transfers und Vergünstigungen. Wir streben ein Modell an, das Kinderregelsätze, Kinderzuschläge, Kindergeld sowie die steuerlichen Kinderfreibeträge vollständig überflüssig macht. Ziel ist eine Kindergrundsicherung, die der Höhe nach so bemessen ist, dass die Kinderfreibeträge verfassungskonform abgeschafft werden können. Damit schaffen wir die Grundlage für ein modernes und gerechteres System der Familienförderung, das Kinder in den Mittelpunkt stellt.

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Ein Kommentar zu “Kinder fördern, nicht die Ehe
  1. Thomas Schulz sagt:

    Vielen Dank für den Bericht. Auf dieses Problem sollte viel öfter hingewiesen werden, Kinder sind unsere Zukunft und „Investitionen“ in Kinder sind Investitionen in die Zukunft. Es wird in unserer Gesellschaft zwar viel über Armut im Alter gesprochen (auch hier ist jeder Einzelne zu viel), aber die viel verbreitetere Kinderarmut ist nur selten ein Thema. Nun ja, Kinder sind eben keine Wähler.

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