Skandal über dem Skandal („hinter dem Skandal“ wäre beschönigend)

Das Autoland Deutschland ist in Aufruhr, seitdem alle Vertuschung- und Beschwichtigungsversuche von Bundesregierung und Autoherstellern so offensichtlich gescheitert sind. Der Abgasskandal ist von einem VW-Skandal über einen Dieselskandal zu einem handfesten Merkel-Dobrindt-GroKo-Skandal ausgewachsen.

Egal von welchem Hersteller Dieselautos der Euro 5- und Euro 6-Norm geliefert wurden (und immer noch werden) – man muss stark befürchten, dass die Autos ihre Typgenehmigung und damit ihre Zulassung nur mit Hilfe betrügerischer Manipulationen erlangt haben. Dieses geht massiv zu Lasten der Menschen, die an den vielbefahrenen Hauptstraßen unserer Städte leben, aber auch derer, die im Vertrauen auf die Zulassungsbehörden solche Fahrzeuge gekauft haben, und denen nun Wertverlust und Fahrverbote drohen, für die die Hersteller nicht geradestehen wollen.

Nachdem diese Fakten – fast 2 Jahre nach den Enthüllungen durch die amerikanische Umweltbehörde und ohne, dass das Minister Dobrindt unterstehende Kraftfahrtbundesamt (KBA) begonnen hätte, von sich aus nun alle in Deutschland zugelassenen Fahrzeugtypen unter die Lupe zu nehmen – nun immer größere Dimensionen auch in der öffentlichen Debatte gewonnen haben, sah sich Minister Dobrindt genötigt, gestern zu einem „Nationalen Forum Diesel“, kurz „Dieselgipfel“ nach Berlin einzuladen. Von Gipfel konnte dabei allerdings keine Rede sein, denn außer ihm selbst, 8 Ministerpräsidenten und einigen Unternehmenslenkern waren die übrigen relevanten Player leider nicht eingeladen. Weder Kanzlerin Merkel noch die Wirtschaftsministerin oder der Gesundheitsminister waren dabei, auch nicht die Umweltverbände und Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe, die durch ihr beharrliches Nachbohren und Nachmessen die Aufklärung des Skandals immer wieder befeuert haben, und auch nicht Verbrauchervertreter wie die Verbraucherzentralen oder der ADAC.

Auch die Vertretung der Bevölkerung, unser zur Kontrolle der Regierenden gewähltes Parlament, wurde und wird in die Aufarbeitung des Skandals nicht eingebunden. Im Gegenteil: während das ganze Land über das Thema spricht, wird uns Parlamentariern in unheiliger Allianz von Parlamentspräsident und Ausschussvorsitzenden des Verkehrs- und des Wirtschaftsausschusses mit der Arroganz der Macht der übergroßen Koalition verweigert, in Ausschusssitzungen mit der gebotenen Seriosität die Probleme und mögliche Lösungen zu beraten und von der Regierung die uns zustehenden Antworten einzufordern. Die Einberufung der von uns beantragten Sitzungen wurde schlicht abgelehnt. Stattdessen gab es dann am Donnerstag eine „Unterrichtung der Obleute der Fraktionen“ aus den Ausschüssen für Verkehr, Wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz mit Verkehrsminister Dobrindt und Wirtschaftsstaatssekretär Machnig.

Doch diese „Unterrichtung“ war eine Farce und an Ignoranz gegenüber gewählten Volksvertreter*innen kaum zu überbieten. 16 Abgeordnete hatten sich für die auf 2 Stunden angesetzte Sitzung extra auf den Weg nach Berlin gemacht. Doch Minister Dobrindt zog es zu Beginn vor, lieber in Journalistenmikrophone vor dem Saal zu sprechen als pünktlich vor den Abgeordneten zu erscheinen. Dann gab er sich doch die Ehre, allerdings nicht ohne gleich anzukündigen, dass er nur kurz Zeit habe. Auch sein Vorgänger im Amt des Verkehrsministers, der als Vorsitzender des einladenden Wirtschaftsausschusses als Sitzungsleiter fungierende Dobrindt-Parteifreund Ramsauer (CSU), machte gleich zu Beginn der Sitzung klar, dass es nicht darum gehen könne, hier wie in einer Anhörung fundiert das Thema zu bearbeiten. Stattdessen definierte er „Unterrichtung“ so, dass der Minister und der Staatssekretär kurz ihre Sicht auf die Fragen von Abgasskandal und Kartellvorwürfen darstellen könnten und er dann einige wenige Nachfragen zulassen wolle. Die angesetzte Zeit von 2 Stunden bis 13.00 h sei das absolute Limit, eigentlich müsste das alles viel schneller gehen.

Und das tat es dann auch. 2 Fragerunden wurden zugelassen, die entsprechenden Antworten der Regierungsvertreter blieben einsilbig und immer wieder von übermäßiger Arroganz gegenüber uns Parlamentarier*innen geprägt. Erkenntnisse blieben somit Mangelware, was aber natürlich auch daran liegen kann, dass auch die Ergebnisse des „Dieselgipfels“ von Ambitionsmangel und Unverbindlichkeit geprägt sind. So gab es keine plausible Antwort auf unsere Frage nach der Berechnungsgrundlage für die angenommene Wirksamkeit der vereinbarten freiwilligen Softwareupdates der Autohersteller. Ebensowenig war die Regierung in er Lage, zu erklären, wie sie eine Verbindlichkeit bezüglich der Vereinbarungen mit der Automobilindustrie sichern könne. Die Frage, ob Fahrverbote und Strafzahlungen an die EU durch die abgesprochenen Maßnahmen verhindert werden könnten, beantwortete Minister Dobrindt mit dem Prinzip Hoffnung. Weitere Nachfragen wurden nach etwas mehr als einer Stunde Sitzungszeit durch Sitzungsleiter Ramsauer schlichtweg abgebügelt und die Sitzung 45 min vor dem vereinbarten Ende einseitig beendet. Mehr Missachtung des Parlaments durch Regierung und sogar einen Ausschussvorsitzenden, also führenden Parlamentarier der GroKo war selten!

Was bleibt? Die klare Erkenntnis für unsere Fraktion, dass die drängenden Fragen des Gesundheitswesens- und Verbraucherschutzes im Zusammenhang mit dem Skandal um die Stickoxid-Emissionen aus Diesel-PKW weder durch die Ergebnisse des „Dieselgipfels“ gelöst wurden noch bei dieser abgewirtschaftet habenden GroKo in den richtigen Händen liegt. Auch die für den Wirtschaftsstandort Deutschland wie auch die Arbeitnehmer in der Fahrzeugindustrie so wichtigen Fragen nach einem radikalen Umbau unserer Fahrzeugflotte und Mobilitätspolitik bleiben nach 4 Jahren CDU/CSU-SPD-Regierung komplett unbeantwortet.

Und eine weitere Frage bleibt auch nach dieser Berlin-Dienstreise unbeantwortet: Was meint eigentlich Kanzlerin Merkel zu diesem Thema?

Diese Regierung kann man am 24. September nur ABWÄHLEN!

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