Drei Viertel Wahrheit auf 75 ha Grünland
„Ich bin Bauer und meine Kühe können tanzen.“ Der das sagt heißt Matthias Stührwoldt und mit dem ersten Teil seiner Aussage hat Biolandwirt aus Stolpe in Schleswig-Holstein zweifellos recht. Ob es stimmt, dass seine 65 Milchkühe tanzen können, ist im kommenden Frühjahr auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, wenn Milchbauer Stührwoldt seine Kühe auf die Weide entlässt.
Bewusst hatten wir am Sonntag nicht zu einer agrarpolitischen Analyse in den blätterteich nach Oldenburg eingeladen, sondern uns auf eine literarische Reise ins Landleben begeben.
Autor und Landwirt Stührwoldt hat sein Publikum ganz fix eingefangen. Auf platt und auf hochdeutsch. Er liest auch nicht vor, was ja eigentlich zu erwarten ist bei einer Lesung. Nein, er erzählt. Von seinem Fendt Helmut, einem Trecker mit Verdeck, der aufgrund seines Alters zum Koppelkellner degradiert worden ist, dafür aber umso mehr geschätzt wird auf seinem Hof. Ein Relikt aus vergangenen Zeiten, das Stührwoldt ehrt, dem Betrachter aber eher ein müdes Lächeln entlockt angesichts topmoderner „Agrarraumschiffe“, die auf den Straßen im Südoldenburgischen locker ihre 80 Sachen schaffen. Oder sein Werdegang zum Erwachsenen mit Anfang 40, da hatte er schon selbst fünf Kinder, doch erst dann zogen seine Eltern aus dem gemeinsamen Bauernhaus und er war endlich selbständig. Sehr zum Verdruss seiner Mutter verschob er daraufhin die Melkzeit von Viertel vor Fünf in der Frühe auf sieben Uhr, um nach seinen Lesungen länger schlafen zu können. Ein Bruch mit einer 400jährigen Hof-Tradition.
Stührwoldt setzt sich mit seinen liebevollen Schilderungen von Freud und Leid des Bauernlebens dafür ein, dass die überschaubaren Höfe eine Zukunft haben: „Doch gegen die Milchindustrie haben wir es schwer. Bald wird es nur noch ganz, ganz wenige Milchhöfe meiner Größe geben. Wenn ihr eine Kuh auf der Weide seht, fotografiert sie.“ Seine Lösung für die Zukunft: „Regionalität. Wir gründen mit 35 anderen Biolandwirten eine Molkerei, um unsere Produkte gemeinsam anzubieten. Das ist unsere Chance, am Markt zu bestehen.“ Auch deswegen schreibt er dagegen an, dass die Schätze der Natur, die dem Landwirt anvertraut sind, verloren gehen.
Als GRÜNE sind wir schon seit geraumer Zeit die Partei der bäuerlichen Arbeit im Einklang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen – und das auch und gerade aus der Sicht des Verbrauchers. Die immer noch anhaltende Tendenz zu immer größeren Höfen in agrarindustriellen Strukturen wie aktuell gerade in Rastede zu beobachten macht ja nicht nur uns, sondern besonders auch den bäuerlich wirtschaftenden Landwirten wie Matthias Stührwoldt große Existenzsorgen. Doch gerade die bäuerliche Landwirtschaft gilt es zu erhalten, sind doch deren Produkte keine anonym hergestellten Waren. Und nur in überschaubarer Hofgröße ist artgerechte Weidehaltung der Milchkühe zu organisieren, nachdem die Schweine schon vor geraumer Zeit von den Weiden verschwunden sind.
Hiltrud Neidhart, Vorstandssprecherin der Oldenburger Grünen, bedankte sich bei Stührwoldt dafür, dass er mit seinen Geschichten aus dem Dorf- und Hofleben einen wichtigen Teil dazu beitrage, dass diese Welt, die zu verschwinden droht, wahrgenommen wird: „Es reicht nicht aus, regelmäßig regionale Produkte auf den Märkten dieser Stadt zu kaufen, aber es ist ein wichtiger Schritt. Wichtig ist, dass sich die Stadt- und die Landbevölkerung solidarisieren.“
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