Arnauds Anmerkungen

Donnerstag 24. März 2016

-und weg bin ich-

Postberg, Listen beenden, wichtige Termine und Briefe für Benny zurechtlegen. Die letzten Stunden gehen schnell vorbei. Jonas hat auch frei. Sarah und ich halten die Stellung.

Peter ruft noch einmal von unterwegs an, bedankt sich für meine Arbeit und wünscht mir alles Gute. Dann verabschieden Sarah und ich uns, ich schnappe mir meine Kamera und drehe eine letzte Runde durch den Bundestag.

Zum Abschluss dieses Blogs und meiner wie im Flug vergangenen sechs Wochen hier, möchte ich mich noch einmal bei Peter, Benny, Jonas und Sarah bedanken, für die hochinteressante Zeit im Bundestag, die Möglichkeiten, die Kuchen und die vielen Erklärungen. Haltet die Ohren steif und macht weiter so –

Euer Arnaud Boehmann

 

Die Wolkendecke ist aufgerissen und das Licht der langsam untergehenden Sonne fällt auf das Reichstagsgebäude, als ich aus der Tür trete. Meinen Hausausweis habe ich an der Pforte „Doro 101“ abgegeben. Vielleicht war es ja nicht mein Letzter.

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Mittwoch 23. März

-Kuchen-

Leicht verspätet eingetroffen, mit Zuckerzeug und Bier. Nach dem Mittagessen, beim Kaffee mit Jonas und Sarah stoßen auch Patrick und Philip aus dem Nachbarbüro von Markus Tressel dazu. Sibylle, die schlagfertige und stets gut gelaunte Bürochefin hat sich schon am Donnerstag auf den Weg gemacht, „dahin, wo das Wetter besser ist“ (Danke, Ohrbooten für das Lied). Als dann auch noch Benny mit (weit besserem) Kuchen auftaucht, ist die Zuckerversorgung langfristig gesichert und die Fastenzeit vorzeitig beendet. Er überreicht mir auch mein Abschiedsgeschenk: „Politisches Framing“ von Elisabeth Wehling, mit einer Klappentextempfehlung von Toni Hofreiter. „ Das ist doch das mit der Empfehlung von Toni.“, sagt Patrick. „Was hat er denn dazu gesagt?“, fragt Jonas.

„Joa, basst schoa.“, sagt Patrick.

Anschließend zog ich noch einmal los und versuchte einige der zahllosen Türschilder, Poster und Postkarten einzufangen die die Büros von außen schmücken.

Ein Überbleibsel aus dem Wahlkampf in Sachsen-Anhalt

House of Cards erfreut sich im Bundestag großer Beliebtheit…vielleicht kann man da noch was lernen ? 😀

ebenfalls beliebt: Zeitungsausschnitte

…da ist die Melodie gleich wieder im Kopf…

Stimmt.

Was will man uns hier sagen? Ruhe ? Gelassenheit? Einfach mal abtauchen ?

Die einzige Türdeko an einem Unionsbüro im gesamten Haus. Die habens wohl nicht so mit Humor…

 

Dienstag 22. März 2016

-die letzten Tage des Prakti-

Es ist Bennys freie Woche. Die Flure sind leerer als sonst. Als Interims-Büroaufseher bearbeite ich die Berge an Post, die Tag für Tag die zwei Postfächer jedes Abgeordneten füllen. Eins wäre einfach zu klein. Anschließend kümmere ich mich wieder um meine Listen bis um 14:00 Uhr eine Filmvorführung stattfindet. Die Einladung ging über alle Verteiler, fast hätte ich sie übersehen. „Poka – heißt Tschüss auf Russisch“, eine Vorführung im großen Sitzungsraum des JKH-Nordflügels auf der anderen Straßenseite. Weder unter dem Titel, noch unter der mitgeschickten Kurzbeschreibung konnte ich mir recht was vorstellen. Schon das Wort Kolchose war mir fremd. Aber ich war neugierig, die Regisseurin sollte anwesend sein und hier bot sich eine neue Art Veranstaltung, eine neben den zahlreichen anderen, die ich noch nicht besucht hatte.

Der Film begann, es waren einige Praktikanten aber auch viele andere Zuschauer bis hin zu den Abgeordneten anwesend. Der Film startete kurzweilig und blieb so. Als Versuch die russlanddeutschen Spätaussiedler von 1990 als Menschen außerhalb der Stigmatisierungen der deutschen TV-Krimi-Kultur als „in organisierte Kriminalität, Prostitution, Drogen – und Waffenhandel verwickelte Halbintegrierte“ zu porträtieren, schafft er es schnell erstaunliche Parallelen zur heutigen Flüchtlingsthematik zu ziehen und sensibilisiert. Die Ankunft ohne weitere Geldmittel, die Verweigerung der Anerkennung von Ausbildungen und akademischen Abschlüssen, das initiale Anecken in der Gesellschaft, Unterbringung in Turnhallen, Fremdenfeindlichkeit und Behördenwahnsinn. Bedenkt man jetzt noch den Umstand, dass diese Flüchtlinge als privilegiert bezeichnet werden, weil sich nicht als illegale Einwanderer galten, direkt arbeiten durften und aus einem näher verwandten Kulturkreis stammten, dann meint man die Berichte über Ausschreitungen in den heutigen Flüchtlingslagern erst richtig nachvollziehen zu können. Dafür wurde der Film nicht gemacht, aber es ist ein positiver Nebeneffekt, der ihm einen zusätzlichen Wert gibt. Anna Hoffmann, Drehbuchschreiberin und Regisseurin erhält im Nachhinein viel Lob vom Publikum, sie ist sichtlich erleichtert, dass ihr Werk gut aufgenommen wurde. Die Umstände der Ankunft, der Weg zur Integration und der alltägliche Kampf dieser Migrationsgruppe der jüngeren Vergangenheit sind ein Thema, das zu Unrecht in den Leitdebatten bisher kaum Beachtung fand und das als Lehrstück für akute und kommende Herausforderungen dienen kann. Hier geht’s zum Trailer.

 

Freitag 18. März 2016

-Tag der rothaarigen Damen-

Der Freitag begann ruhig, aber langsam begann ich zu merken, dass ein Schokocroissant jeden Morgen auf Dauer den Spaß an der Sache verdirbt. Wie an den vorherigen Tagen arbeitete ich weiter an einer Liste mit Filmvorschlägen für Parteiveranstaltungen und das „Grüne Kino“ in Westerstede. Es scheint ein unausgesprochenes Gesetz zu sein, dass es nie einfach sein darf, den Rechteinhaber eines Films zu identifizieren. Zunächst die Produktionsfirma. Die hat den Film bezahlt, die müssten doch entscheiden dürfen, wer den Film zeigt, nicht wahr? Ach ich blauäugiges Sommerkind.

Von Produktionsfirma zur Tochter, von der Tochter ggf. zur Tochter im jeweiligen Produktionsland. Von der Tochter zum nationalen Verleih, vom nationalen zum internationalen Verleih. Beim internationalen Verleih hört man mitunter: „Ach, es geht um eine nichtkommerzielle Vorführung, ja die Rechte haben wir abgegeben.“ „An wen?“ „Ouh, das weiß ich gar nicht, das macht mein Kollege, der ist heute nicht da.“

Hotline Marathon. Aus Erfahrung kann ich jetzt sagen: Die Hotlines in Frankreich haben die bessere Musik.

Peter schaut kurz vor seiner Abreise noch einmal rein. Schnell werfen wir uns unsere Sakkos über und machen noch das obligatorische „Treffen sich zwei Politiker“-Foto.

Dann kommt Dorothea „Doro“ Steiner zu Besuch. Bei der letzten Bundestagswahl knapp am Mandat vorbei gerutscht, ist dem Bundestag mit ihr auf jeden Fall eine schlagkräftige Kämpferin gegen die Schlaftabletten dieses Parlaments verloren gegangen. Eine sehr angenehme Gesprächspartnerin. Allzeit Gast und Umweltreferent Jochen gesellt sich auch dazu. Flux ist es 15:20 Uhr.

Am Vorabend hatte ich noch aus dem Büro von Agnieszka Brugger die Zusage für ein kurzes Gespräch bekommen. Freudig gespannt, wie bei den vielen Terminen, bei denen ich die Chance hatte mit Menschen denen man sonst nur zuhört zu sprechen, machte ich mich auf den Weg in den ausgelagerten Bürobau „UdL“ -Unter den Linden. Ausgelagert…das hört sich so abwertend an. Der Bürobau UdL gehört nicht zum untertunnelten Viereck der Macht (RTG-MELH-PLH-JKH) an der Spree, dafür sind die Büros größer.

Warum läuft jetzt der Prakti durch Berlin und stiehlt den Abgeordneten ihre kostbare Zeit? Als ich mit dem Praktikum begonnen habe, war eines der Ziele, die ich mir gesetzt hatte, mit Peter und einmal kurz mit der Sicherheitspolitischen Sprecherin zu quatschen. Agnieszka ist zehn Jahre älter als ich, in ihrer zweiten Wahlperiode und mit 24 in den Bundestag eingezogen. Wie ist das, mitten aus dem Studium in dem ich ja auch gerade stecke in den Bundestag gewählt zu werden? Hinzu kommt, dass ich ein hohes Interesse an den von ihr behandelten Themen habe und es war mir eine große Freude, mich so kurz vor der Osterpause mit ihr unterhalten zu können.

So endete auch dieser Tag mit einem Satz neugewonnener Eindrücke. Viel Stoff zum Nachdenken.

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Das obligatorische Foto mit dem Chef

 

Peter

Der „Politiker-Handschlag“ alias „Merkel-Erdogan-Handshake“

Donnerstag 17. März 2016

-die wichtigen Fragen-

Am Vorabend habe ich auf Facebook die Meldung von Tilo Jung, dem Initiator des Formats „jung&naiv“, gelesen: „Morgen Interview mit Gregor Gysi: Schickt uns eure Fragen“. Kurze Überlegung: Jung und sein Team haben Presseausweise für den Bundestag, Gysis Büro ist relativ groß, es ist reguläre Sitzungswoche also wird das Interview im Haus und damit nur zwei Flure von uns entfernt stattfinden.

Vielleicht sollte ich hier anmerken, dass es nur zum Teil der Interviewte war, der mich dazu veranlasste unbedingt einen Stuhl in diesem Raum ergattern zu wollen. Zum anderen war es auch der Umstand, dass ich bis dahin kaum mit der Pressearbeit von Abgeordneten in Kontakt geraten war. Peter hatte mehrere Interviews geführt, jedoch meist am Telefon oder, falls das  Fernsehen involviert war, mit einem  Kamerateam am Ort des jeweiligen Problems.

Meine Frage, ob die Interviewer geneigt seien einen Praktikanten dem Ganzen beiwohnen zu lassen, muss in den endlosen Fragen, Anregungen, Kritiken und Schmähungen im jung&naiv-Postfach untergegangen sein.

Als die Antwort bis zum nächsten Mittag ausblieb schrieb ich kurzerhand an die Adresse von Herrn Gysis Bürochefin eine gleichlautende Frage. Zehn Minuten später kam die Antwort. Sie wisse zwar nicht, ob das ginge…ich solle einfach rüber kommen.

Es ist immer wieder bemerkenswert, welche Assoziierungen und Auslegungsmöglichkeiten aus zweizeiligen E-Mails erwachsen. So war mir aus dem Wortlaut schnell klar, dass Frau Katja Volkmann zwar gestresst und überladen ist mit Arbeit, aber dennoch entspannt, freundlich und sehr aufmerksam. So war es dann auch. Später erfuhr ich, dass das Interview um 15:00 Uhr schon der achte Termin an diesem Tag war. Vor dem Interview nahm sie sich jedoch noch Zeit für einen kurzen Plausch, ein Getränk und Bemerkungen zur Sexualmoral im Bundestag.

In Gysis Büro bauten Tilo und sein Kollege Alex Theiler bereits die Stative für drei Kameras auf. Gar kein Problem sei das mit dem dabei sitzen, meinten sie. Beide waren guter Stimmung. Auch die Schweißflecken auf dem hellen Hemd  lächelte Tilo weg. Dann dürfe man den Arm mit dem Mikro halt nicht zu hoch heben. Dazu sei gesagt, dass der Bundestag sehr gut, manchmal vielleicht zu gut geheizt ist, sodass jede Form körperlicher Arbeit, die über das reine Sitzen an einem Schreibtisch hinausgeht unweigerlich zu starker Transpiration führt.

Interview Nummer drei mit Gregor Gysi durch jung&naiv. „Habt ihr eine besondere Vorliebe für einander?“, fragte ich. „Wir fragen eigentlich alle an…“, sagt Alex, „Nur Gysi sagt am öftesten zu.“ beendet Tilo den Satz.

„Hast du denn die Interviews mit deinen Leuten gesehen?“, werde ich gefragt. Zu meinem Unbehagen muss ich verneinen.

Dann kommt Gysi, mit zwanzig Minuten Verspätung herein, gibt jedem die Hand. „Guten Tag, junger Mann.“, sagt er zu mir. Er erkennt mich vom Vortag nicht wieder. Ohne viel Drumrum beginnt das Gespräch. Ich sitze außerhalb des Bildes, eine Wasserflasche vor mir, nippe entspannt an meinem Glas und lausche Gysis Ausführungen zu mehr oder minder naiven Fragen.

90 Minuten ungeschnittenes Interview sind geplant, nach etwa der Hälfte ist Gysis Wasserglas leer. Der Kameramann steht in der anderen Ecke des Raumes. Die Wasserflasche steht vor mir. „Könnte ich noch so ein Glas Wasser bekommen?“, fragt Gysi aus dem Bildrand heraus. Vorsichtig manövriere ich mich an dem Kamerastativ vorbei und Fülle ein. Es geht weiter. Als die jung&naiv Website das Video einige Tage später veröffentlicht, sehe ich, dass sie den Kamerawinkel drin gelassen haben, der aufgefangen hat, dass ich Gregor Gysi das Wasser reichen kann.  (Ab Min 41 )

Eine halbe Stunde später schleiche ich mich aus dem Raum. Das Interview läuft noch, aber ich bin mit Peter im Reichstag verabredet. Wir treffen uns bei den Sitzecken in der Nähe des Restaurants auf der Plenarsaalebene. Außer uns ist kaum jemand hier. Trotz seines übervollen Terminkalenders nimmt Peter sich heute die Zeit, mir Rede und Antwort zu stehen, auf all die Fragen, die ich eigentlich immer schon einen Berufspolitiker fragen wollte. Anschließend geht es für Peter zurück ins Plenum und ich mache Feierabend. Um einige Eindrücke reicher.

 

Mittwoch 16. März 2016

-Mittwoch, der Tag der Dialoge-

1. Dialog: Ich liege im Bett.

„Steh auf“, sage ich. „Nein.“, antworte ich. „Doch. Na los, du musst ins PLH, gleich ist Pet-Ausschuss (Petitions-Ausschuss)“. „Ich kann nicht“, sage ich, „die Decken und Kissen haben mich als einen der ihren akzeptiert. Wenn ich jetzt aufstehe verliere ich ihr Vertrauen und kann nicht mehr in das Rudel zurückkehren.“

08:00:00 Uhr – In letzter Sekunde schlüpfe ich, leicht belächelt vom Portier, in den Sitzungsraum des Pet-A. Ich nehme hinter Peter, neben Oli und Benny in der zweiten Reihe Platz.

Mittwochsritual: Mit Beate Müller-Gemmeke, Luise Amtsberg, Oli, Benny und Karin Flotmann gibt es Kaffee und Twixx. Diesmal nur zwei Twixx. Rationalisierungsmaßnahmen? Erste Zeichen der bröckelnden BRD GmbH?

Der Umweltausschuss ist heute zwei-geteilt in die normale Ausschusssitzung und ein öffentliches Fachgespräch zur Atomenergie. Mit einer Club-Mate in der Hand mache ich mich auf den Weg zum zweiten Teil. Man dehydriert leicht in diesem Job. Mal hier, mal da….immer auf Trab.

Ich werde zum ersten Mal überhaupt nach meinem Ausweis gefragt um Zugang zu erhalten. Ich stehe am Eingang im Erdgeschoss, Besucher haben Zuritt im 1. Stock.

2. Dialog:

„Mit dem Getränk kann ich Sie aber oben nicht reinlassen.“, sagt die Dame am Tresen. „Ich wollte ja auch unten rein“, sage ich. „Das geht nich.“, sagt sie. „Wieso nicht?“, frage ich, „Ich sitze beim Petitionsausschuss doch sonst auch unten.“ „Na hör’n se ma“, ranzt mich die Dame an, „Sie sind nur Praktikant. Ick weiß ja nich, wie die das beim Petitionsausschuss handhaben, aber hier geht das nicht.“ Ich mache meinen Kringel auf der Anwesenheitsliste und gehe oben rein. Mit Flasche. Ich Rebell.

Nach dem Fachgespräch geht es noch einmal für mich ins Plenum. Regierungsbefragung. Fragestunde. Recht nützlich für die Oppositionsarbeit, aber doch staubtrocken.

Auf dem Rückweg setze ich noch eine Idee um, die mir schon seit längerem im Kopf rum schwebte. Die Linksfraktion hat 2015 eine eigene „Maobibel“ herausgegeben mit dem Titel „Worte des Vorsitzenden Gysi“. 10€ in der Bundestagsbuchhandlung, für ein kleines Büchlein. Da ist in der Planwirtschaft wohl was falschgelaufen. Aber ich habe Gysis Reden eigentlich immer gerne gelauscht und als Sinologie-Student gibt es dann auch das begründete Interesse an der Wahrnehmung des Mao-Kults in Deutschland. Seit seinem Rücktritt als Fraktionsvorsitzender sitzt Gysi nun eine Treppe und zwei Flurecken von uns entfernt. Was lag da näher, als sich das Büchlein signieren zu lassen?

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Anschließend machte ich Feierabend und ging zu meinem Fahrrad. Seit zwei Wochen stelle ich mein Fahrrad immer auf dem Parkplatz hinter dem Reichstagsgebäude ab. Und seit zwei Wochen sitzt am Steuer des Polizeiwagens, der auf der Südseite des Platzes steht, derselbe Polizist. Jeden Abend zeige ich ihm meinen Hausausweis und jeden Abend grüßt er mich mit „Moin“.

3. Dialog:

„Moin.“ „Moin.“

„Jetzt muss ich Sie aber doch mal fragen, Sie grüßen jeden Abend mit „Moin“. Sie sind doch auch aus dem Norden oder?“

„Junger Mann, wenn Sie eine Antwort auf die Frage haben wollen, nehme ich Sie erstmal mit in dem Wagen hier und für 8 Stunden auf die Wache.“ Er muss lachen.

„Weiß Bescheid.“, sage ich und grinse.

„Wünsch dir was.“, ruft er mir hinterher.

 

Montag 14.März 2016

Strahlender Sonnenschein über Berlin und Peter gibt dem Büro ein Frühstück aus. So darf die Woche starten. Leider die letzte Sitzungswoche in meinem Praktikum. Um 13:00 Uhr trifft sich die AG Globale Entwicklung. Peter, Uwe Kekeritz und Claudia Roth mitsamt zahlreichen Mitarbeitern. Vom Eckraum im Obergeschoss des JKH-Nordflügels hat man eine ausgezeichnete Sicht auf den Reichstag, das Brandenburger Tor und das Ende des Tiergartens. Doch bei den spannenden Themen, bleibt dafür kaum Zeit.

Intermezzo und Aufgabenwahrnehmung im Büro, dann kommt auch schon die AG Energie und Klima Prof. Sterner von der Uni Regensburg gab flammendes Input für die Power-to-Gas-Technologie. In seiner Darstellung ermöglicht es diese, im öffentlichen Diskurs bisher stark vernachlässigte, Technologie das Speicherproblem der erneuerbaren Energien zu lösen und könne die Für Gas-Autos, Heizungen u. A. erforderlichen Ressourcen selbst produzieren. Die dafür benötigte Technologie sei bereits entwickelt und auch einsetzbar. Einzig die EEG-Umlage verhindere eine Rentabilität der Konzepte und hemme so Investitionen in den Sektor. Eine für mich, als Schiffs- und Meer-Affinen höchst interessantes Teilkonzept: Ein mit einer Methanisierungsanlage ausgestattetes Schiff fährt auf die offene See, im Bug ein Sky-Segel. Die Maschine stoppt, die Schiffsschraube ändert die Schubrichtung. In der Konsequenz bleibt das Schiff auf der Stelle, die Schraube wird selbst zum Generator und produziert Strom der in der Methanisierungsanlage in Gas umgewandelt wird. Soweit für mich als Laien verständlich, und faszinierend. Danke an dieser Stelle an Prof. Sterner, dessen Vortrag ich trotz Unkenntnis der Materie gespannt lauschen konnte.

 

Um 19 Uhr traf sich der linke Flügel der Grünen in der Parlamentarischen Gesellschaft. Es war wohl das größte Privileg meines Praktikums daran teilnehmen zu dürfen. Ein spannender Abend nahm seinen Lauf. Liebe Grüße an Katja Dörner: Bleib so cool, wie du bist. 🙂

 

Sonntag 13. März 2016

-Wahlparty in der BGS (Bundesgeschäftsstelle)-

Die Landesvertretung von BaWü war völlig überlaufen und konnte meine Anmeldung leider nicht mehr annehmen. So ging ich am „Superwahlsonntag“ auf gut Glück mit meiner Freundin in die Bundesgeschäftsstelle. Ordentlich, aber nicht brechend voll. Bei Brezeln und Bio-Limo warteten wir auf die ersten Hochrechnungen. Die Reaktionen sind mittlerweile bekannt. Jubel bei Kretsche, Kopfschütteln bei der AfD, Rheinland Pfalz bestätigte die Befürchtungen und Sachsen-Anhalt war zwar nicht für die Grünen, dafür aber für den Rechtsstaat und das Menschenbild eine Katastrophe. Als die ARD-Hochrechnungen dann von 18:00 Uhr (Grüne bei 5,5 in S.-A.) im Laufe der nächsten Stunde runterging auf 5,0 blieb die Stimmung positiv, aber leicht angespannt. Tatsächlich erhielt ich am linken Bildrand meinen ersten Auftritt im bundesweiten Fernsehen. 😀 und die Bretzeln waren auch gut.

http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-4327.html  – ab min 20:58

 

Freitag 11. März 2016

Auf dem Weg zur Arbeit fällt mir eine Demo auf, die sich bunt und lautstark vom Kanzleramt in Richtung Brandenburger Tor bewegt. Circa 200 bis 300 Oromo protestierten laut, farbenfroh und vollkommen friedlich gegen die Entwicklungshilfen für die Äthiopische Regierung unter der nach Angaben der Oromo-Community Berlin seit November 2015 über 400 Mitglieder der ethnischen Gruppe getötet wurden. 70.000 Oromo seien aus politischen Gründen gegenwärtig inhaftiert. Leider, so sagte mir Oli als ich ihn ein Stück weiter traf, hätten die Oromo eine miserable Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihnen ein Großteil der möglichen öffentlichen Beachtung entgeht.

Oli, alias Oliver Feldhaus unser Petitionsfachmann seit 25 Jahren und ausgezeichneter Fotograf trägt nicht nur die Antirassistische Rap-Kampagne „Spuck auf Rechts“ gut sichtbar auf seinem Pullover in den Bundestag, sondern stellte mir dankenswerterweise auch das unten stehende Foto zur Verfügung. Weitere spannende Bilder findet ihr hier: https://www.flickr.com/photos/petshoppetshop

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Nach dem üblichen Prozedere im Büro ging es zum Lunch & Learn der Grünen FraktionsAZUBIs.

Bei leckeren Brötchen hatten die Referenten einen Übersichtsvortrag zur gegenwärtigen Müllbelastung der Ozeane, zu den Unmengen gerade in Deutschland anfallenden Verpackungsmülls und Alternativ-Strategien. Ausgedruckt für alle und für Berliner Leser dieses Blogs bestimmt interessant. Eine Karte mit Vermerken zu Fair-Teilern (öffentlich zugänglichen Kühlschränken zur Verteilung von Essen), sowie Einzelhandelsläden die auf Verpackungen verzichten oder neue Konzepte zur Müllvermeidung testen.

 

Donnerstag 10. März 16

Lunch & Learn

Ein Konzept, das bisher ganz an mir vorbei ging, sich aber sofort Sympathiepunkte sichern konnte. Die Idee: Statt der regulären Mittagspause treffen sich Mitarbeiter aus MdB-Büros und anderen Strukturen der Partei mittags zu einem 90-minütigen Vortrag, bei dem sie mit Schnittchen und Getränken versorgt werden. Heutiges Thema: Mapping-Studie 2015 mit Michael Kellner, dem politischen Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/ Die Grünen.

Für morgen habe ich mich ebenfalls zu einem Lunch & Learn angemeldet. Thema: „Wegwerfgesellschaft – was kannst Du dagegen tun?!“  Vorhin kamen drei nette junge Damen in unser Büro und überreichten mir diesen Becher. Da bin ich mal gespannt auf morgen….

Happy-Becher

 

Montag 07. März 2016

-Bundestag-rat-bad….was?-

WandelhalleSONY DSCPlenarsaal

 

Bundestag und Bundesrat führen in Berlin außerhalb des reinen Gesetzgebungsverfahrens eine entspannte Parallelexistenz. Um die ein wenig zu durchbrechen lud die Landesvertretung Niedersachsens am Montag die Büros von AKII und AKIII zu einer Führung durch den Bundesrat mit anschließendem Suppeessen ein. Das Bundesratsgebäude in der Leipziger Straße 3-4 hatte, wie der Reichstag und große Teile des Berliner Stadtkerns, eine sehr bewegte Geschichte, von der außer der Fassade jedoch kaum noch etwas zu sehen ist. Der Krieg, die Zeit und die innenarchitektonische Misshandlung durch Verantwortliche zu DDR-Zeiten haben vom Innenleben dieses einstigen Prachtbaus nichts mehr übrig gelassen. Einzig Fragmente von Deckenmalereien und bronzene Wandtafeln in der historistisch gestalteten Wandelhalle geben dem Besucher ein grobes Gefühl für die spätpreußischen Parlamentsgebäude. Die Bundesratssitzungen unterscheiden sich scheinbar stark von ihrem Pendant im Bundestag. Keine Redezeitbegrenzung, reduzierte Parteipolitik, stärkere Präsenz von Beamtenstrukturen. Die Führung schafft es, einige Unklarheiten ob der Arbeitsweise des Bundesrates zu klären, die sich zwar nicht der Öffentlichkeit, manchmal aber des öffentlichen Interesses entzieht. Danach: Landesvertretung, Rote-Beete-Suppe mit Meerrettich und zurück ins Büro.

BR-Day 07-03-2016

 

Freitag 04. März 2016

Grüne Zukunftswerkstatt – Europa:

 

Eröffnungsrede         Podium

Im Wesentlichen: MdBs, Abgeordnete des Europäischen Parlaments (MdEP) und Referenten aus vielen Europäischen Staaten diskutieren mit den zahlreich erschienenen Gästen über eine Vielzahl von Themen in zwei mal vier parallelen Foren im Paul-Lübbe-Haus. Die Konferenzräume waren bereits im Vorfeld für die sogenannte Fishbowl-Diskussion vorbereitet worden. In der Halle des PLH gab es Kaffee und kleine Croissants. So hält man Praktikanten bei Laune. Zwischen 500 und 600 Gäste waren gekommen, und verteilten sich nach Begrüßung und initialen Reden auf die vier Konferenzräume. Nach der ersten Runde des Forums und einem schnellen Snack am Buffet konnte ich Peter zu meiner großen Freude begleiten um eine Schülergruppe zu treffen. Das wäre jedoch nur halb so witzig, wäre es nicht der Politikleistungskurs meines alten Gymnasiums in Westerstede unter meinem alten Politiklehrer.

Unpraktischerweise hatten sie den Reichstag schon verlassen, und wenn es etwas gibt, was die Torwächter der Hallen der Demokratie nicht mögen, dann sind es zwanzig unangemeldete Gäste. Etwas Überredungskunst, der nette blaue Hausausweis und die Zusicherung, dass für Herrn Meiwald Schüleranliegen aus dem Wahlkreis wichtig sind, öffneten aber doch die Türen des Jakob-Kaiser-Hauses. In der „Großen Niere“, einem von zwei Konferenzräumen im Lichthof des Hauses, beantwortete Peter die nächsten eineinhalb Stunden Fragen zur politischen Partizipation von Jugendlichen, der Arbeit eines Abgeordneten und warum er, im Gegensatz zu seinem SPD-Pendant aus dem Wahlkreis, Dennis Rohde, sich ganz klar gegen TTIP ausspricht.

Sitzungssaal im PLH       In der Fishbowl-Diskussion

Danach: Zurück zur Zukunftswerkstatt, Abschlussreden, Abbau, Suche nach verschwundenen Headsets, Feierabend-Bier ausgegeben von Caro alias Carolin Holzhäuser, der fabelhaften Organisatorin dieser Großveranstaltung. Zwei Stunden später trafen wir, sieben der Grünen-Praktikanten uns in einer Kreuzberger Kneipe um Bürotüren zu überbrücken und angemessen ins Wochenende zu starten.

 

Mittwoch/Donnerstag 02./03. März 2016

-Rock’n’Roll all night, and Prakti every day-

Jonas hat sich eine schöne Praktikanten-Aufgabe für mich überlegt. Eine Übersicht der seit Anfang 2015 aufgetretenen Havarien mit negativem Effekt auf Flüsse, Seen und angeschlossene Ökosysteme. Es sind verdammt viele. Die meisten davon schafften den Sprung in die landesweite Berichterstattung nicht.

 

Donnerstag 25.02.2016

Der Donnerstag hatte insofern ein kleines Highlight, als dass ich das erste Mal die Möglichkeit hatte an dem Treffen einer Parlamentarier-Gruppe (PG) teilzunehmen. Dr. Denis Tull von der Stiftung Wissenschaft und Politik und Günter Overfeld, ehemaliger deutscher Botschafter in Mali erläuterten uns im Rahmen einer Stunde die gegenwärtige Lage in Westafrika. Thema waren unter anderem die Strategien der einzelnen terroristischen Gruppen und  (Miss-)Erfolgsbilanzen westlicher Interventionen.

Leider waren für die Plenardebatte zum Asylpaket II danach keine Karten mehr verfügbar, das hätte ich mir gerne angehört.

 

Die Zweite Woche

Von hier an berichte nicht mehr explizit über jeden (zweiten) Termin des Wochentages, sondern mehr über besondere Ereignisse, explizite Eindrücke und den ganz normalen Wahnsinn.

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Dienstag 23. Februar 2015

Der volle Dienstag, alle Jahre und jede Sitzungswoche wieder. AG Umwelt, AK2, AG Petitionen, Frasi.

Die AG Umwelt legt ein ganz gutes Tempo vor, doch im AK2 würde selbst den fachkundigsten und interessiertesten Zuhörer über kurz oder lang mal ein Gedanke in ferne Welten schicken. Nebenbei schreibe ich an diesem Blog, plane die nächsten Tage und vergesse völlig das Highlight des Tages.

In der AG Petitionen geht es sehr fix, wenig Diskussionsbedarf, doch dann ein Thema, bei dem ich merke, dass die allgemeinen Probleme der Studenten im Alltag der Parlamentarier nicht halb so präsent sind, wie bei uns Studenten. Problemstellung: Masterplätze. Es gibt einfach nicht genug davon. Wir reden schon gar nicht mehr darüber. Sag zu einem Bachelor-Studenten „Master-Platz“ und er oder sie rollt mit den Augen. Das Problem ist bekannt und wir haben das Gefühl, es wird sich zu unseren Zeiten nicht mehr ändern. Ich darf meinen Senf dazu geben.

Morgen im Petitionsausschuss wird Peter es wieder aufgreifen und mein Senf war Teil einer Debatte in einem Bundestagsgremium. Das freut.

Letzter Termin des Tages: Die Fraktionssitzung (Frasi)

Die Einladung hat uns bereits gestern darüber informiert, dass der unter anderem als SPON-Blogger bekannte Netzpolitik-Aktivist Sascha Lobo als Gastredner dabei sein wird.  Der markante rote Iro, Lobo will, dass man ihn sieht und er wird gesehen. Den Village-People-Schnauzbart hat er abrasiert, aber die Stimme und der Platz zwischen den beiden Fraktionsvorsitzenden sichern ihm die Aufmerksamkeit des Saals. Tatsächlich bringen seine Beiträge zu Beginn der Sitzung eine gewisse Dynamik hinein. Vielleicht sollte ich hier anmerken, dass ich gar kein so großer Fan von Lobo bin, wie das vielleicht der eine oder andere im Raum war. Gelegentlich lese ich seine Kolumnen und oft stoßen mir gewissen Formulierungen oder Auslegungen auf. Dinge, die ich so selbst nicht geschrieben hätte oder eher schwer nachvollziehen kann. Was mich aber ungemein freut, ist dass hier ein wirklicher Austausch im demokratischen Spektrum stattfindet. Diskussionskultur wird gepflegt. Allzu oft sind, nicht explizit die Fraktionssitzungen, aber Gremiensitzungen eine Form von „preaching to the converted“. Die Anwesenden sind in dem Moment in dem sie sich setzen schon einer Meinung und Diskussion findet aufgrund der zu geringen Diskrepanz zwischen den Standpunkten nur langsam und schwerfällig statt. So aber kommen neue Ansatzpunkte, neue Perspektiven auf bekannte Probleme hinein. Nicht, dass ich den Abgeordneten vorwerfe sich nicht mit den aktuellen Thematiken auseinander zu setzen, nein, ganz und gar nicht. Aber ich halte diese Form der Horizonterweiterung  (für manchen mehr, für manchen vielleicht auch gar nicht) für sehr sinnvoll.DSC_2306[1]

Sarah und Benny waren auch ein bisschen neugierig und so saß ausnahmsweise mal fast das gesamte Büro Meiwald in der Frasi.

Fraktionssitzungen neigen dazu den Zeitplan der Tagesordnung über den Haufen zu werfen. Als ich mich entschloss zu gehen und auf dem Weg zum Lift war, sah ich Lobo gerade auf selbigen warten. Gebe ich jetzt den Fanboy? Nein…oder? Ich habe gerade nichts zum Signieren parat, auch habe ich keins seiner Bücher gelesen. Ich überwinde meine Abneigung gegen die moderne Autogrammkarte, und frage Lobo, ob es ihn stören würde ein Selfie mit mir zu machen. Ich könne ihn Sascha nennen und es störe ihn überhaupt nicht. Auf dem Weg ins JKH reden wir noch kurz. Korrekter Typ. Ich muss nicht jede seiner Meinungen teilen, aber ich bin für den Meinungspluralismus in unserer Medienlandschaft froh, dass es Leute dieses Kalibers gibt.

Freitag 19. Februar 2016

Am Vormittag trifft sich Peter mit  dem namibischen Botschafter zwecks Aufarbeitung des Völkermords an den Herero und Nama ab 1904. Dieses Mal bin ich leider nicht dabei, doch es gibt  genug zu tun. Werbemittel und Petitionsakten wollen von A nach B verholt werden. Oli fragt mich auf dem Flur: „Na, hast du die Praktikantenjobs?“ Die habe ich, aber die Bewegung tut gut. Das viele Sitzen kann nicht gesund sein.

Für 14:00 Uhr wird eine Gruppe von Greenpeace erwartet. Gegen 14:15 Uhr wundert sich Jonas wo sie denn wohl bleiben. Dann kommt die Nachricht, sie warten seit einer Viertelstunde im Foyer. Die Pforte hat vergessen uns Bescheid zu geben. Das kommt vor. Im „Hans“, dem Besprechungsraum nebenan setzen Sarah und ich uns zu der Greenpeace-Delegation, Jonas und Peter. Die GPs zeigen sich als Profis ihres Fachs. Die Stimmung ist konstruktiv und man wird schnell warm. Oberthema Gewässerschutz, mit Fokus aus Mikro- und Makroplastik. Klarschiff. Wochenende.

 

Donnerstag 18. Februar 2015

Nach dem Zombiemodus am Mittwoch früh, ist der Donnerstag eine wahre Wohltat. Die Einführung in Büroaufgaben hatte Benny schon am Montag begonnen, aber erst heute nehme ich wirklich daran teil. Autogrammkarten werden verschickt, Rückmeldungen zu Veranstaltungen gefaxt, personalisierte Kugelschreiber entworfen und dann ist es auch schon Zeit fürs Plenum.

Ich habe gleich zwei Karten à zwei Stunden von Odine bekommen (zwei Freyas, einen Thor und eine Gefion kenne ich zwar, aber Odine ist ja wohl der coolste Name überhaupt 😀 ). Vier Stunden im Plenum sind dann auch nicht ganz ohne, aber hochinteressant.

Agnieszka Bruggers Rede zur Rüstungsexportkontrolle habe ich leider verpasst. Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) behauptet, die Regelungen zum Waffenexport seien bereits sehr restriktiv. Jan van Aken (Linke) lehnt den grünen Antrag als zu schwach ab, muss sich daraufhin von Matthias Ilgen (SPD) anhören, er gehe unseriös mit Zahlen um.

Danach wird es schwer für mich. Gerne gebe ich zu: ich rede gerne dazwischen, gebe gerne Kontra und artikuliere in Debatten durchaus auch meine Ablehnung von bestimmten Positionen. All das muss ich bei der Rede von Gisela Manderla (CDU/CSU) unterdrücken, sonst wäre das Praktikum zu schnell zu Ende.

Ihre Argumentation folgt dem Schema: Deutschland darf seine Verteidigungsfähigkeit nicht verlieren, deshalb müssen wir in alle Welt Waffen exportieren. Die Rüstungsfirmen hätten es eh schon schwer auf dem Markt (wäre mir neu, dass die über leere Auftragsbücher klagten) und eine restriktivere Exportpolitik für Waffen könne die gesamte Branche „strangulieren“.

Ich frage mich, würden unsere Kneipen den Ausschank beenden, wenn Becks kein Bier mehr nach China verkauft? Würden unsere Äcker nicht mehr bestellt, wenn keine Fendt-Trecker nach Frankreich verkauft werden? Warum sollte Deutschland sich nicht mehr gegen einen hypothetischen Feind verteidigen können, wenn KMW und Rheinmetall keine Leopard-Panzer mehr nach Saudi-Arabien und Katar liefern? Waffenexport und nationale Sicherheit derart zu vermischen scheint mir nicht nur  wenig sinnvoll, sondern gefährlich. Wenn die Leistungsfähigkeit den eigenen Waffenfabriken einzig von Geld aus dem Ausland abhängig ist, ist dieser Zustand doch weit gefährlicher als eine strengere Exportrichtlinie.

Es ist makaber und von schwarzem Humor erzeugt, aber ich muss resigniert lächeln bei der Vorstellung, China würde mit derselben Begründung den IS oder mexikanische Drogenkartelle beliefern. Von despotisch regierten Ländern gar nicht zu reden. Was für ein Aufschrei würde durch die deutschen Medienhäuser gehen.

Dann ist auch das Thema vorbei.

Von der Tribüne aus lässt sich ausgezeichnet verfolgen, wie der eine oder andere SPD-Abgeordnete während der Rede von Kathrin Göring-Eckhardt anerkennend nickt, die Hände klatschend zusammenführt aber kein Geräusch verursacht und keine offene Anerkennung zeigt. Dass ich mehrere solcher leisen Zustimmungen und auch Missbilligungen beobachten konnte, lässt mich bedauern, dass die Beachtung der Fraktionszugehörigkeit oftmals in Abwägung gegen die eigene Position obsiegt.

Während der Debatte zu Immobilienkrediten verlasse ich kurz den Saal um für einen Kaffee ins Büro zurück zu kehren. Es folgen als Themen die Gewalt gegen Frauen, Somalia und das Wasserhaushaltsgesetz mit Peters Rede als hoch spannende und mal mehr mal weniger kontrovers diskutierte Tagesordnungspunkte (TOP). Peters Rede für die Änderungsanträge zum WasserHHG ist eine erfrischende Abwechslung. Nicht nur als sein Praktikant kann ich bestätigen, dass sie die dynamischste Rede der letzten zwei Plenarstunden ist.

Als letzter TOP, gegen 20:35 Uhr, folgt der Antrag zur „Verbesserung der Beziehungen mit Kuba“. Die Reihen sind lichter geworden, Müdigkeit und Aufbruchswunsch sind auf vielen Gesichtern zu lesen. Die initiale Rede aus der Linksfraktion ist wie erwartet, doch sehr holprig. Allgemein fällt auf, dass hier keine jungen MdBs zu Wort kommen. Muss man die Kubakrise noch erlebt haben um sich dazu zu äußern? Es ist ein versöhnliches Thema zum Abschluss, wenn selbst Charles M. Huber für die CDU sich inhaltlich wenig von der löchrigen Rede der Linken unterscheidet. Alle freuen sich über die Annäherung, man befürwortet die Öffnung und blickt positiv auf Pläne wie die Sanierung von Wohnungen im Zentrum von Havanna. Es ist der wohl fröhlichste Punkt der Tagesordnung.

 

Mittwoch 17. Februar 2016

Um 8:00 Uhr beginnt der Petitionsausschuss, ab 7:45 Uhr besprechen die grünen MdBs, Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Peter und die Mitarbeiter des Petitionsreferats die letzten Details. Vor 8 Uhr im Bundestag, kaum jemand hält keinen Kaffeebecher in der Hand. Die Sitzung beginnt, sie ist nicht öffentlich und eine detaillierte Beschreibung der Inhalte verbietet sich daher. Doch die Debatte ist ungewöhnlich dynamisch, wie mir später gesagt wurde. Leider bestätigen sich so manche Klischees, die der Bürger ohne Hausausweis wöchentlich den Feuilletons, den Karikaturen und der Heute-Show entnimmt. Einige Respektlosigkeiten aus der Unionsbank, etwas energielose Linke,  ignorierte Grüne und fast schon willenlose Sozialdemokraten. Niemand tanzt aus der Reihe, die wenigsten suchen die Konfrontation. Die Stimmen der Koalition entscheiden, wie mit den Petitionen verfahren wird. Ein Zwischenruf von den grünen Sitzen in Richtung SPD: „Euch fällt doch auch der Arm ab.“ Es stimmt. Leider.

Die erste Hürde des Tages ist genommen und ich werde in das Mittwochsritual eingeweiht. Kaffee und Twixx mit der Petitions-AG. In dem kleinen Café am Eingang des Paul-Lübbe-Hauses gibt es eine kurze Pause, bevor der Umweltausschuss beginnt. Konsti sagt kurz Hallo. Dr. Konstantin von Notz, ein Name wie ein Sturmgeschütz, trägt im Gegensatz zu seiner Webpräsenz Bart und Anzüge wie Harvey Specter. Naja, er ist ja auch Jurist. Aber wer sagt, dass man als Grüner underdressed sein muss?

Peter zelebriert seine bunten, lockeren Hemden ebenso wie die vollständige Abwesenheit von Krawatten. Es ist ein erwähnenswertes Phänomen, dass drei Tage ausreichen um anhand der Kleidung mit hoher Wahrscheinlichkeit die Fraktionszugehörigkeit einer unbekannten Person feststellen zu können. Mir wird gesagt: „Komm wie du willst.“ Das mache ich.

 

Dienstag 16. Februar 2016

Der Tag ist besser getaktet als die Deutsche Bahn. Ist ja auch nicht schwer.

AG Umwelt, AK1, AK2, AG Petitionen. Eine Sitzung folgt der anderen, kaum eine Pause. So langsam verstehe ich weshalb die Sitzungswochen als der stressigere Teil des Alltags gelten. In den Konferenzen selbst sind die Eindrücke vielfältig. Es ist schwer auf den ersten Blick zu verstehen, weshalb manche Themen breit diskutiert und andere geschoben oder abgenickt werden. Wichtig sind die Entscheidungen für die interfraktionellen Ausschüsse am nächsten Tag.

Peter bleibt ruhig, behält den Überblick und schafft es sogar zwischendurch noch zu einem Fototermin im Fußballtrikot.

Zwischenbilanz: Viel zugehört und Thomas Oppermann im Flur fast umgerannt.

15:00 Uhr – Fraktionssitzung

Die Abgeordneten der Grünen versammeln sich im 4. Stock des Reichstagsgebäudes. Das who-is-who von Partei und Fraktion und hinten eine Bank voller Praktikanten. Bei 15 von 63 Abgeordneten kann ich Gesicht und Namen zusammenbringen. Da ist noch Steigerungspotenzial. Der Diskussionsbedarf ist groß, Boris Palmer hat mit seinem AfD-Sprech die Kollegen verstimmt. Die Atmosphäre ist dennoch angenehm. Viele MdBs gehen zwischendurch raus, holen Kaffee, Kuchen, Brötchen und Schokoladencrème. Mein Professor würde die Krise kriegen.


Montag 15. Februar 2016

Wann sollte ich noch gleich da sein? Um zehn ist Bürobesprechung, ich bin um 9:30 Uhr da…wird schon schiefgehen. Ich weiß bis heute nicht, ob ich zu spät war. Die Bürobesprechung ist entspannt, doch noch kann ich mit kaum einem der Schlagworte etwas anfangen. Waren es bei meinem Praktikum im Deutschen Marinemuseum noch SVO, FMO und EloKa, sind es jetzt WasserHHG, JKH, PLH, AK2 und Pet-Ausschuss. Alles wird sich in den ersten zwei Tagen selbst erklären. Kurze Einweisung in das Intranet, Vorbesprechung des Nachmittagstermins, dann nehmen Jonas und Sarah mich mit in die Kantine des JKH.

Drängeln an der Salatbar, lange Schlangen vor den beliebten Gerichten und noch längere an der Kasse. Es ist laut und jede/r Zweite entgeht nur knapp der Tomatensauce auf dem Tablett des Vordermanns. Die zwei einzigen Unterschiede zu den hunderten Mensen in deutschen Universitäten waren dann doch die höhere Qualität des Essens und die übermäßig hohe Zahl an Anzugträgern. Als wäre ich aus Versehen in einer Jura-Vorlesung gelandet.

Erster Eindruck: das Arbeitsumfeld ist entspannt. Man nennt sich beim Vornamen, die Hierarchie ist klar aber eher flach. Witze werden gemacht, Benny und Jonas boxen sich auf dem Gang, mir gefällt‘s hier.

Um 13:30 Uhr dann unser erster Gast:  Benjamin Abtan vom EGAM aus Paris, dem European Grassroots Antiracist Movement. Zusammen mit  Igor Cesar, dem Botschafter der Republik Ruanda und meinem neuen Chef Peter Meiwald die Hauptredner des folgenden Treffens.

v.l.n.r. Benjamin Abtan, Peter Meiwald, S.E. Igor Cesar

v.l.n.r. Benjamin Abtan, Peter Meiwald, S.E. Igor Cesar

Nur ein grüner MdB anwesend, drei Stellvertreter, ein SPD-MdB-Mitarbeiter, Benny und ich. Der CDU-Stuhl bleibt leer. Ein interessantes Gespräch zum Thema Genozidprävention folgt. Information, Aktion und Erinnerung sind die Kernpunkte. Für letzteres sind an vier Orten Gedenkveranstaltungen angesetzt: Ausschwitz-Birkenau, Srebrenica, Kigali, Istanbul (Genozid an den Armeniern 1915). Das Gedenken scheint einfach, die Prävention bleibt das eigentliche Ziel. Viel ist noch zu tun, doch alle Beteiligten sehen das Treffen als einen guten Anfang.

Peter lädt Monsieur Abtan und S.E. Cesar zum Kaffee ein. Benny sagt zu mir: „Wenn du Lust hast, geh mit.“ Ich gehe mit. Das Praktikum beginnt vielversprechend.

Ich habe ein eigenes Schild! Nächster Schritt: Weltherrschaft!

 

bMein Name ist Arnaud Boehmann, ich bin 20 Jahre alt und studiere Sinologie und Soziologie an der Uni Hamburg.

Von Mitte Februar bis Ende März werde ich ein Praktikum in Peters Bundestagsbüro machen, den Politikern ein bisschen auf die Finger schauen und mir ein Bild davon machen, was die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten und seines Stabs ausmacht.

Ich bin gespannt.

 

4 Kommentare zu “Arnauds Anmerkungen
  1. Solvey sagt:

    Hey Arnaud!
    Ich bin Solvey, eine ehemalige Praktikantin, ich wünsche dir ganz viel Spaß und tolle Erfahrungen. Mir hat diese Zeit super gut gefallen und ich bin mir sicher, dass du auch auf deine Kosten kommen wirst 🙂

    • Arnaud Boehmann sagt:

      Hey Solvey,

      Absolut. Ich komme hier definitiv auf meine Kosten. Schade, dass die Semesterferien mir nur 6 Wochen ermöglichen. :/

  2. Edeteilen Grambart sagt:

    Hallo Arnaud,

    herzlichen Glückwunsch zu dem Job und zu Deinen Berichten. Ich habe alle aufmerksam gelesen. Interessant und flüssig geschrieben. Wenn es mit China nicht klappt – meine Empfehlung: Journalismus!
    Ich freue mich auf die Fortsetzung.

    • Arnaud Boehmann sagt:

      Danke. 🙂 Ich hoffe die Fortsetzung konnten weiterhin unterhalten und ein kleines Bild meiner Eindrücke zeichnen.
      China hat noch sehr viel Potential, aber erstmal heißt es fertig studieren.

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