Miriams Momente

Ein Praktikum im Bundestag also. In den nächsten 2 ½ Monaten möchte ich, Miriam, mehr darüber erfahren, wie die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten aussieht: Was innerhalb des Parlaments geschieht, bevor wir in den Nachrichten hören: „Der Bundestag hat mit den Stimmen der Regierungskoalition beschlossen…“ oder „In einer ersten Stellungnahme kritisiert die Opposition…“ Einiges weiß ich über die Arbeit des Deutschen Bundestags schon, denn ich studiere Politikwissenschaft. Aber einer Vorlesung über das politische System Deutschlands zuzuhören oder für eine Weile selbst mitten drin zu stecken im parlamentarischen Betrieb ist natürlich nicht das Gleiche. Daher freue ich mich sehr auf die kommenden Wochen! Auf diesem Blog werde ich meine Erfahrungen und Eindrücke von der Arbeit eines Bundestagsabgeordneten teilen. Was es da so alles zu berichten geben wird? Tja, darauf bin ich selbst noch gespannt.

An meinem Arbeitsplatz in Peters Büro.

Woche 1 (28.11.-02.12.2016)

Auf jeden Fall kann ich mit einem ziemlich guten Gefühl in mein Praktikum starten. Dafür sorgten schon die sympathischen Mails meiner künftigen Kolleg*innen (à la „Wir freuen uns auf deine Mitarbeit. Schöne Grüße, Benny“) vor Praktikumsbeginn. Genauso herzlich, wie es sich in den Mails angekündigt hatte, wurde ich an meinem ersten Arbeitstag auch willkommen geheißen. Die Hierarchien scheinen flach – man duzt sich z.B. unter Grünen, egal ob Abgeordnete*r, Mitarbeiter*in oder Praktikant*in – und die Atmosphäre in Peters Büro ist sehr angenehm. Hier lässt es sich aushalten! Wenn ich bloß auch noch alles verstehen würde, worüber meine Kolleg*innen so fachsimpeln. FraSi, AWZ, HBCD, PBNE, Pet-Ausschuss, UMK…die eine oder andere Abkürzung kann ich mir noch herleiten, aber manchmal komme ich wirklich nicht mehr mit. Ein Wörterbuch könnte nicht schaden…Ich versuche, geduldig zu sein, und meine Kolleg*innen nicht kontinuierlich mit Fragen zu bombardieren. Immerhin habe ich noch ein paar Wochen Zeit, um all die Abläufe und Strukturen im Bundestag besser kennen und verstehen zu lernen.

Und wenn jede Woche so erlebnisreich wird wie die erste, werde ich definitiv viel mitnehmen von meiner Zeit im „politischen Berlin“. AG Globale Entwicklung, AG Energie und Klima, AG Umwelt, Bau, Naturschutz und Reaktorsicherheit, AG Petitionen, AK II, Fraktionssitzung, Petitionsausschuss, Umweltausschuss…ich darf Peter und seine Mitarbeiter*innen in die verschiedensten Gremien begleiten. Einige sind fraktionsintern(AGs und AKs), in anderen wird dann zwischen den Fraktionen über Gesetzesvorschläge und Änderungsanträge diskutiert und abgestimmt (Ausschüsse). Gerade die inhaltlichen Debatten, z.B. über das Datum des Kohleausstiegs oder die Höhe der Gelder im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, finde ich sehr spannend. Gleichzeitig erlebe ich aber auch, wie frustrierend es sein kann, zur Opposition im Deutschen Bundestag zu gehören – vor allem, wenn die Opposition so klein ist wie aktuell, zu Zeiten der „GroKo“. Die Abgeordneten der Grünen können eben viele sinnvolle Gesetzesvorschläge und Änderungsanträge unterbreiten – das meiste wird aber von den Regierungsparteien wohl kaum übernommen werden. Jüngstes Beispiel: Der Bundesverkehrswegeplan, der diese Woche verabschiedet wurde. Ich durfte an der Plenarsitzung teilnehmen und erfuhr dabei viel über die Kritik der Grünen an diesem Plan. Aus umweltpolitischer Perspektive ist letzterer nämlich ziemlich problematisch, weil er keineswegs die dringend notwendige „Verkehrswende“ einläutet. Immerhin produziert der Verkehrssektor 18% der deutschen Treibhausgasemissionen – Tendenz steigend. Um daran etwas zu ändern, müsste man viel stärker in den öffentlichen und nichtmotorisierten Verkehr investieren, auf den Erhalt, nicht den Ausbau von Straßen setzen…aber die Regierungsparteien haben „ihren“ Bundesverkehrswegeplan im Bundestagsplenum natürlich gelobt. Und weil die Abgeordneten von SPD und CDU/CSU im Parlament die Mehrheit stellen, war das positive Votum zu dem Plan nur eine Formalie. Trotzdem ist die Arbeit der Opposition natürlich wichtig: Sie schaut der Regierung auf die Finger, übt Kritik, zeigt Alternativen auf…darüber werde ich in den kommenden Wochen bestimmt noch einiges berichten, denn schließlich mache ich ja mein Praktikum bei dem Mitglied einer (aktuellen) Oppositionspartei.

Die erste Woche vergeht wie im Flug, obwohl – oder gerade weil – die Tage ziemlich vollgestopft sind. Dass man als Abgeordnete*r vielbeschäftigt ist, wusste ich natürlich schon vor meinem Praktikum. Nun kann ich es aber hautnah erleben. Peters Arbeitstag beginnt oft schon früh morgens, und endet selten vor neun, zehn Uhr abends. Ein Termin reiht sich an den nächsten, und fällt ein Termin aus oder verschiebt sich, gibt es bestimmt noch einen Alternativtermin. Auch am Wochenende gibt es häufig Veranstaltungen. Trotzdem wirkt Peter weder übermüdet noch völlig gestresst, sondern eigentlich ziemlich gut gelaunt und motiviert bei der Sache. Und ähnliches gilt für die meisten Menschen, denen ich in meiner ersten Woche im Bundestag begegne (obwohl man sich natürlich oft auch mächtig aufregt, z.B. über Gesetzesentwürfe anderer Fraktionen). Aber, das kann ich nach einer Woche definitiv sagen, der Arbeitsalltag im Bundestag ist ja auch einfach sehr spannend. Immerhin werden hier viele Entscheidungen getroffen, die mitbestimmen, wie sich Deutschland in Zukunft entwickeln wird.

Woche 2 (05.-09.12.2016)

Im Jahr gibt es „nur“ 20 Sitzungswochen im Bundestag. Die restliche Zeit verbringen die Abgeordneten in ihrem Wahlkreis. Von der dortigen Arbeit werde ich nicht viel mitbekommen, denn mein Praktikum findet ausschließlich im Berliner Büro statt. So erlebe ich in meiner zweiten Woche den etwas ruhigeren Modus des parlamentarischen Betriebs. Die Mitarbeiter*innen der Abgeordneten sind nun damit beschäftigt, die Sitzungswochen vor- und nachzubereiten und sich um die verschiedene Aufgaben zu kümmern, die eben so anfallen in einem Abgeordnetenbüro (Dazu später mehr). Ich darf einige Recherchearbeiten übernehmen, Textvorlagen schreiben, Post sortieren, Kontaktdaten aktualisieren usw.

Sehr spannend finde ich, dass ich das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ etwas mitunterstützen darf. Grundidee dieses interfraktionellen Projektes ist es, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die ihr Mandat in Sicherheit ausüben können, gefährdeten ausländischen Kolleg*innen sowie verfolgten Menschenrechtsverteidiger*innen helfen. Das kann z.B. dadurch passieren, dass die deutschen Abgeordneten Kontakt zur Bundesregierung, zu Menschenrechtsorganisationen oder politischen Stiftungen aufnehmen, die Botschafter*innen und Regierungen der betroffenen Staaten anschreiben oder in der Öffentlichkeit auf das Schicksal der bedrohten Politiker*innen oder Menschenrechtler*innen aufmerksam machen. Im Rahmen des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ übernehmen deutsche Abgeordnete eine Patenschaft für eine*n bestimmte* ausländische*n Parlamentarier*in, für den oder die sie sich anschließend einsetzen. Und Peter hat zusammen mit zwei Abgeordneten der SPD und CDU die Patenschaft für Osman Baydemir in der Türkei übernommen. Herr Baydemir ist Abgeordneter der oppositionellen, pro-kurdischen Partei HDP und setzt sich seit vielen Jahren für die Rechte der Kurd*innen in der Türkei ein. Aufgrund seines Engagements wurden schon mehrere hundert Strafverfahren gegen ihn eröffnet und Herr Baydemir ist immer wieder scharfer Kritik der türkischen Regierung ausgesetzt. Gerade in den letzten Monaten und Wochen spitzt sich die Lage für HDP-Politiker*innen immer weiter zu. Zum einen haben sich die Beziehungen zwischen der türkischen Regierung und den Kurd*innen extrem verschlechtert. Und zum anderen versucht Präsident Erdogan, seine eigene Macht zulasten oppositioneller Kräfte aus Politik, Justiz, Medien und Zivilgesellschaft auszuweiten. Zuletzt wurden hunderte HDP-Politiker angeklagt oder verhaftet und zahlreiche Parteibüros verwüstet. Angesichts dessen scheint es nur richtig und wichtig, dass sich nun viele Bundestagsabgeordnete für ihre unter Druck geratenen Kolleg*innen in der Türkei einsetzen. Wie Peter Herrn Baydemir unterstützt, werde ich in den nächsten Wochen noch weiter berichten.

Peter und seine Kollegen Frank Heinrich (CDU) und Karamba Diaby (SPD). Gemeinsam haben sie die Patenschaft für Osman Baydemir übernommen. Hier weisen sie in einer öffentlichen Aktion vor dem Reichstagsgebäude auf die schwierige Situation türkischer Oppositionspolitiker*innen wie Osman Baydemir hin.

Weil die sitzungsfreien Wochen etwas entspannter sind, werde ich diese Zeit nutzen, um über den Alltag in dem Büro eines Bundestagsabgeordneten und im Deutschen Bundestag allgemein zu berichten: Jede*r Abgeordnete*r hat üblicherweise drei Mitarbeiter*innen. Die meisten von ihnen sind noch ziemlich jung, stecken aber natürlich tief in der Materie „ihres“ MdBs (=Mitglied des
Bundestags, um hier mal eine der 10.000 Abkürzungen einzuführen) drin. Kein Wunder, denn die Mitarbeiter*innen arbeiten ihren Abgeordneten ja nicht nur organisatorisch, sondern auch inhaltlich zu, schreiben Reden, nehmen an Sitzungen teil usw. Weil es gerade bei den Grünen auch viele junge Abgeordnete gibt, weiß ich in den AG-Sitzungen manchmal gar nicht sofort, wer MdB und wer Mitarbeiter*in ist… Die Abgeordneten sitzen im Jakob-Kaiser-Haus, das aber durch unterirdische Gänge mit dem Reichstagsgebäude (wo sich Plenarsaal und Fraktionsräume befinden), dem Paul-Löbe-Haus (wo die ständigen Ausschüsse tagen) und dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (das unter anderem das Wissenschaftliche Dienstleistungszentrum des Deutschen Bundestages und die Untersuchungsausschüsse beherbergt) verbunden ist. Bis ich mich in diesem Gebäudewirrwarr zurecht finde, wird es wohl noch ein paar Tage dauern… Kleiner Fun fact: In einem unterirdischen Gang befinden sich mehrere Säulen: Sie umschließen das Wurzelwerk von Bäumen, die man beim Tunnelbau nicht fällen wollte…Allgemein kommt mir der Bundestag von innen keineswegs super luxuriös vor. Alles ist recht schlicht und funktional gehalten, es gibt viel Glas und nur ab und zu ein paar Bilder mit moderner Kunst an den Wänden, dazu momentan natürlich auch ein paar einsame Weihnachtsbäume. Das soll wohl auch den Anspruch des Bundestags, eine transparente Volksvertretung zu sein, zum Ausdruck bringen.

Dass der Bundestag aber eben doch kein Bürogebäude wie jedes andere ist, merke ich schon am frühen Morgen, wenn ich die Post für Peter sortiere. Ziemlich beeindruckend, was ein*e Abgeordnete*r so an Post bekommt, wer alles um ein Gespräch bittet, zu einer Veranstaltung einlädt, die eigene Meinung zu einem Thema abgibt (inklusive mehr oder weniger versteckten Vorschlägen, wie die MdBs die künftige Gesetzeslage ausgestalten sollten), Informationsblätter und Zeitschriften verschickt und, und, und…Natürlich ist es sinnvoll, wenn sich Abgeordnete über die Sichtweisen, Interessen und Sorgen verschiedener Akteure informieren, an Veranstaltungen von Interessenvertreter*innen teilnehmen und die Expertise von Leuten „aus der Praxis“ nutzen. Aber auf viele Zusendungen könnte Peter getrost verzichten. Die Hochglanzbroschüren neoliberaler Wirtschaftsverbände landen bei uns zumindest ebenso schnell im Müll wie ein Magazin der Sicherheitstechnologie (aka Rüstungstechnologie) oder eine Bastelvorloge für eine Mini-Elbphilarmonie (inklusive QR-Code zum Konzerthören) von Google. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit häufen sich auch Grußkarten, kleine Geschenke und Einladungen zu Neujahrsempfängen. Ob Bayer wirklich denkt, der Schoko-Adventskalender steigert Peters Zuneigung zu diesem Konzern? Und was erhofft sich bloß der Deutsche Schaustellerbund von dem Lebkuchenherz, das kürzlich ankam? Wer mehr Beispiele absurder, unnützer Lobbygeschenke sehen möchte, kann auf #lobbytweet verfolgen, wie sich Grünen-Politiker*innen darüber lustig machen. Die Plattform bietet eine gute Möglichkeit, diesen Geschenke-Unsinn anzukreiden, denn die Interessenvertreter*innen haben es nicht gerne, wenn ihre Schmeicheleien öffentlich werden. Im Übrigen erfährt man hier auch einiges über Bemühungen, den Austausch zwischen Abgeordneten und Interessenvertreter*innen transparenter zu gestalten.

Eine kleine Auswahl an Geschenken, die Peter in den letzten Tagen zugeschickt bekommen hat.

 

 

 

 

 

 

Woche 3 (12.-16.12.2016)

Schon etwas routinierter starte ich in Woche 3, die wieder eine Sitzungswoche ist. Dienstag findet eine Fotoaktion im Rahmen des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ vor dem Reichstagsgebäude statt: Die Bundestagsabgeordneten halten dabei Bilder „ihrer“ ausländischen Kolleg*innen hoch und fordern insbesondere, dass türkische Oppositionspolitiker*innen ihre Arbeit frei und ungefährdet ausüben können. Die Aktion kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt, denn in den letzten Tagen wurden die Repressionen gegen HDP-Politiker*innen noch einmal intensiviert. Hintergrund: Am Wochenende gab es in Istanbul einen Doppelanschlag einer radikalen Splittergruppe der pro-kurdischen Arbeiterpartei PKK. Und die türkische Regierung sieht die oppositionelle Partei HDP als Unterstützerin der PKK und anderer, militanter kurdischer Gruppierungen. Dass die HDP die Anschläge öffentlich verurteilt hat, hat daran nichts geändert.

Ansonsten gibt es in der Sitzungswoche naturgemäß wieder viele Sitzungen. AG, AK, Fraktionssitzung, Ausschuss, Plenum…. Als Abgeordnete*r verbringt man viel Zeit in den unterschiedlichsten Runden, und braucht definitiv die Fähigkeit, sich immer wieder schnell auf ein neues Thema einzulassen. Gerade noch hat man mit Mitgliedern der eigenen Partei über den Kohleausstieg debattiert, dann geht es weiter zu einem Treffen mit dem Vertreter einer Umweltorganisation, und von dort ins Plenum, wo die Verkehrspolitik auf der Tagesordnung steht.

Eine Kuriosität der Arbeit im Bundestag ist definitiv auch die Mischung aus Politik und Alltag. Eben noch hat man sich mit einem Gesetz befasst, das bundesweit große Veränderungen bewirken wird, dann kehrt kurz der Alltag ein – etwa in Form einer kleinen Weihnachtsfeier der Grünen-Fraktion („Kathrin und Toni“ (= Kathrin Göring-Eckhardt und Anton Hofreiter, die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen) geben Glühwein, Punsch und Lebkuchen aus) – bevor es wieder um die große Politik geht. Auf dem Weg in den Plenarsaal laufe ich an einem geschmückten Tannenbaum vorbei, neben AK-, AG- und Ausschüssen finden in der letzten Sitzungswoche auch Weihnachtsfeiern und ein Auftritt des Bundestagschors statt. Oft sind die Grenzen zwischen Politik und Alltag fließend: Vor Beginn der AK-Sitzung plaudern die Abgeordneten noch über die Weihnachtsgeschenkwünsche ihrer Kinder, und bei der Weihnachtsfeier geht es natürlich auch immer mal wieder um das eine oder andere Gesetz oder den bevorstehenden Wahlkampf. Ich finde diese Mischung sehr spannend, denn als Politikwissenschaftsstudentin interessiere ich mich natürlich nicht nur studienbedingt, sondern auch privat für Politik.

Und auch kurz vor Weihnachten stehen noch viele wichtige Themen auf der Tagesordnung des Bundestags: Im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) sprechen die Abgeordneten beispielsweise über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Ein kontroverses, emotionales Thema, bei dem es auch Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Parteien gibt. Manche Politiker*innen, vor allem der Linken und Grünen, bezweifeln die Sinnhaftigkeit des Einsatzes, während andere kleine Erfolge seit dem Sturz der Taliban betonen, z.B. beim Schulbesuch von Mädchen. Wie auch bei anderen umstrittenen Fragen gibt es in dieser Frage im Plenum eine namentliche Abstimmung. Das Ergebnis: Während die CDU/CSU geschlossen für, die Linke einheitlich gegen die Verlängerung des Einsatzes stimmt, zeigen sich bei der SPD und insbesondere bei den Grünen fraktionsinterne Meinungsverschiedenheiten. Wer’s genau wissen will, kann sich auf der Internetseite des Bundestags informieren.

Nicht teilnehmen kann ich diese Woche an der Fraktionssitzung – dabei wäre es sicherlich besonders spannend gewesen, denn es gibt hohen Besuch: Die Bundespräsidentenkandidaten Christoph Butterwegge und Frank-Walter Steinmeier kommen zu einer Fragerunde. Dafür bin ich h bei der abschließenden Debatte im Umweltausschuss über den Gesetzentwurf zur Finanzierung der Folgenlasten der Kernenergie und der Endlagerung des Atommülls „live dabei“. Definitiv ein historischer Moment, denn die getroffenen Entscheidungen werden ja Auswirkungen bis weit in die Zukunft haben und sind ein wichtiger Schritt im Ausstieg aus der Atomenergie. Das Besondere an dem Gesetzentwurf: Er wurde von Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam eingebracht. Das kommt in der parlamentarischen Demokratie nicht häufig vor: Meist stimmen die Fraktionen der Opposition ja gegen Gesetzesvorschläge der Regierungsparteien (und anders herum) oder enthalten sich zumindest. Und dass die Grünen gerade bei dem ihnen besonders wichtigen Thema Kernkraft nun einen Kompromiss mit der CDU/CSU und der SPD gefunden haben, war für viele vermutlich tatsächlich eine Überraschung. Ich habe auch einige Meinungsverschiedenheiten unter Grünen-Mitgliedern erlebt. Denn bevor eine Partei sich zu einem Thema positioniert, gibt es intern natürlich in der Regel Diskussionen, die je nach Fragestellung mehr oder weniger kontrovers verlaufen. Dass die Grünen in Sachen Endlagerung und AKW-Rückbau nun den Gesetzesentwurf der Regierungsparteien mittragen, kann man wohl als Versuch der Schadensbegrenzung sehen. Natürlich sollte eigentlich gelten, dass derjenige, der den Müll produziert, ihn auch komplett und (auch langfristig) sicher entsorgen muss. Aber was, wenn man den Energiekonzernen nun die Verantwortung für die Endlagerung überlässt und sie anschließend pleitegehen? Dreimal darf man raten, wer dann einspringen darf und die gesamten Kosten übernehmen muss…der Staat und damit letztendlich alle Steuerzahler*innen. Und genau diese Sorge – die ja angesichts der hinterwäldlerischen Vorgehensweise von RWE und co. in den letzten Jahren (à la Erneuerbare Energien? Nein, danke!) nicht ganz aus der Luft gegriffen ist – hat die Mehrheit der Grünen nun dazu bewogen, der Einrichtung eines öffentlichen Fonds zuzustimmen. In letzteren müssen die Energiekonzerne dann immerhin 23,5 Milliarden einzahlen, um sich so an der Endlagerung des Atommülls zu beteiligen. Für den Rückbau ihrer Atomkraftwerke bleiben sie weiter allein verantwortlich. Die Konzern-Einzahlungen in den Fonds zur Endlagerung werden wohl kaum alle künftig anfallenden Kosten decken, sind aber wohl der viel zitierte Spatz in der Hand. Zumindest, wenn die Energiekonzerne endlich auch ihre Klagen gegen den deutschen Staat fallen lassen. Vattenfall hat beispielsweise wegen der Brennelemente-Steuer vor einem Schiedsgericht auf 4,7 Milliarden Euro Entschädigung geklagt. Wenn diese und andere Klagen erfolgreich sind, holen sich die Energiekonzerne einen beträchtlichen Teil des Geldes, das sie in den Fonds einzahlen sollen, wieder zurück. Es bleibt also spannend – und weiterhin großer Bedarf für umweltpolitischen Druck.