Mit zweieinhalb Jahren Verspätung hat die EU-Kommission gestern endlich Kriterien zur Identifizierung von Chemikalien vorgeschlagen, die wie Hormone wirken („endokrine Disruptoren“). Die Vorschläge sind jedoch eine herbe Enttäuschung. Erst hat die Kommission die Vorlage jahrelang verschleppt und jetzt hat sie die Chance verpasst, wissenschaftliche Kriterien zu verabschieden, die einen hohen Schutz von Mensch und Umwelt sicherstellen.
Denn die vorgeschlagenen Kriterien fordern eine viel zu hohe Beweislast: Erst wenn zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass eine Chemikalie eine hormonähnliche Wirkung besitzt und zu einer Schädigung im menschlichen Körper führt, können Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Wie schwer diese kausale Beweisführung bei Schadstoffen ist, weiß man von Fällen wie Asbest, PCB oder Blei – erst Jahrzehnte, nach denen unabhängige Wissenschaftler auf die Gefahren dieser Stoffe aufmerksam gemacht haben, konnten sie endlich verboten werden. Chemikalien, bei denen vermutet wird, dass sie eine hormonelle Wirkung besitzen, will die EU-Kommission weiter zulassen. Das widerspricht dem Vorsorgeprinzip und der aktuellen Pestizidgesetzgebung.